Jedermann / Radsport: Ein Schweizer Gericht fällte in der vergangenen Woche ein für den Jedermannsport möglicherweise wegweisendes Urteil. Nachdem es bei den Gippinger Radsporttagen 2014 zu einem schweren Sturz mit für einen Fahrer tödlichen Konsequenzen gekommen war, wurde nun der verursachende Fahrer der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen.
Das Urteil sorgt für großes Aufsehen in der Amateur- und Jedermannszene: Nachdem am 15. Juni 2014 ein riskantes Überholmanöver in einer Abfahrt beim Amateurrennen der Radsporttage in Gippingen zu einem verhängnisvollen Sturz mit mehreren Verletzten und einem Toten geführt hatte, wurde der Unfallverursacher nun vom Bezirksgericht Zurzach schuldig gesprochen. Neben einer 12-monatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, erwarten den Angeklagten Kosten von über 400.000€.
Das Unglück ereignete sich im Juni 2014 auf einer schnellen Abfahrt während des Amateurrennens der Radsporttage Gippingen. Der Angeklagte fuhr mit einigen anderen Fahrern in der Spitzengruppe und setzte kurz vor dem Ort Böttstein zum Überholen an. Bei Geschwindigkeiten von über 70km/h touchierte er dabei den bis dahin Führenden, der zu Fall kam. Mehrere Fahrer fuhren auf den Gestürzten auf und stürzten ihrerseits. Einer von ihnen prallte mit dem Kopf gegen einen Baum und erlag noch am selben Tag seinen schweren Verletzungen.
Was bedeutet das Urteil für den Jedermannsport?
Der zum Unfallzeitpunkt 50-jährige Angeklagte war in selbst jahrelang als Cross-Profi aktiv – fahrtechnische Defizite scheinen damit (fast) ausgeschlossen. Viel mehr kam das Urteil auf Grund der Zeugenaussagen zu Stande, die von einem „halsbrecherischen“ Überholmanöver sprachen. Demnach war der Verursacher trotz breiter Straße nur wenige Zentimeter an den anderen Fahrern vorbeigefahren – trotz des sehr hohen Tempos.
Der Anwalt des Angeklagten plädierte auf Freispruch und brachte während der Verhandlung immer wieder einen möglichen Speichenbruch ins Spiel, der ursächlich für den Sturz gewesen sein soll. Der Fahrer selbst kann sich nach eigener Aussage kaum noch an den genauen Hergang erinnern und habe lediglich eine kurze Berührung während des Überholens wahrgenommen. Zudem betonte er, dass er dieses Überholmanöver jederzeit wieder so ausführen würde, da es nichts außergewöhnliches gewesen sei. Diesen Ausführungen widersprach eine Zeugenaussage, die berichteten, dass der Angeklagte den Führenden per Schulterstoß zu Fall gebracht habe.
Nach einer mehrstündigen Verhandlung befand das Gericht den Angeklagten nun der fahrlässigen Tötung und der mehrfachen fahrlässigen Körperverletzung für schuldig. Ihn erwartet eine 12-monatige Bewährungsstrafe und zudem Kosten von über 400.000€ in Form von Schmerzensgeld, Genugtuung und Entschädigungen.
Auch wenn nicht zu 100% aufzuklären war, wie sich der Sturz im Detail ereignete, handelt es sich zweifellos um einen Rennunfall, wie er in dieser Form über eine Saison hinweg leider oft geschieht. Die tödliche Verletzung einer der Gestürzten in diesem Fall ist tragisch, doch darf dies für das Urteil selbst eigentlich keine Rolle spielen.
Besondere Bedeutung erhält die Entscheidung des Gerichts vor allem deshalb, weil dem Angeklagten keine Absicht nachgewiesen werden konnte. Er fuhr schlichtweg mit zu viel Risiko, in diesem Fall im schwerwiegenden und tragischen Folgen. Riskante Manöver gehören jedoch zum Radsport dazu; jeder, der bei einem Rennen an den Start geht, ist sich dessen zweifellos bewusst. Sollte man sich als Amateurrennfahrer in Zukunft bei jedem Manöver Sorgen machen müssen, für eventuelle Stürze haftbar gemacht zu werden? Doch ebenso muss es Grenzen geben und rücksichtsloses Verhalten muss geahndet werden.
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