Radsport: Den Namen Fabian Cancellara kennt jeder Fan. 17 Jahre Profiradsport liegen hinter dem Schweizer. Fabian Cancellara hat bei der Tour de France das Gelbe Trikot getragen, Etappen gewonnen und bei Eintagesklassikern wie Paris-Roubaix und der Flandernrundfahrt gleich mehrfach triumphiert. Hinzu kommen mehrere Weltmeistertitel und Olympische Goldmedaillen. Auch Rundfahrten, wie Tirreno–Adriatico und die Tour de Suisse beendete er als Sieger. Die Erfolgsgeschichten von Fabian Cancellara könnten ein ganzes Buch füllen. Nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio beendete er seine Karriere. Doch was treibt das Schweizer Uhrwerk nun eigentlich an? Velomotion hat sich mit Fabian Cancellara auf der Eurobike getroffen. Im Messestand von GORE®wear hat er sich ein paar Minuten Zeit genommen und uns etwas über sein Leben nach dem Profisport erzählt.
„Es ist noch sehr viel Neuland“
Michael Behringer: Fabian, Deine Fans interessiert wahrscheinlich sehr, was Du nach Deiner erfolgreichen Karriere als Radprofi machst. Wie verbringst Du Deine Zeit?
Fabian Cancellara: Hast Du genug Zeit? Nein, Spaß. Ich habe sehr viele interessante Themen. Ich bin beschäftigt mit einem Triathlon-Projekt und mit dem Chasing Cancellara-Projekt., das sind Sportevents. Und klar, ich habe mit GORE®wear eine langfristige Zusammenarbeit. Ich bin bei Trek und ich habe meine Privat-Sponsoren. Also langweilig wird es mir sicher nicht.
Ich habe gelesen, dass Du am 3. September in Rorschach sogar selbst an einem Triathlon teilnimmst.
Genau, richtig. Das ist auch das, was ich vorhin kurz angesprochen habe. Ich bin Teilhaber einer Gesellschaft namens TriStar. Und da werde ich jetzt am Wochenende – also am 3. September – einen 55,5 absolvieren: 500 Meter Schwimmen, 50 Kilometer Radfahren und 5 Kilometer Joggen. Da will ich die Experience erleben. Ich will noch mehr herausfinden, was dieses Erlebnis bedeutet. Um für mich weiterzukommen, aber auch für die gesamte Organisation. Denn es geht nicht ums Gewinnen. Ich will wirklich herausfinden, was wir verbessern können. Am Schluss ist es die Qualität, die den Unterschied ausmacht.
Wenn Du einen Vergleich ziehst: War die Radsportkarriere anstrengender, oder sind es die Herausforderungen jetzt nach der Karriere?
Es kommt immer drauf an. Im Radsport hast Du natürlich die Möglichkeit, Dir Deine Kondition zu erarbeiten. In der jetzigen Tätigkeit ist es ein bisschen schwieriger. Da kannst Du Dir keine Kondition erarbeiten. Hier kannst Du nur die Struktur, die möglichen Termine und die ganzen Beschäftigungen, die zur Zeit einfach anstehen, versuchen unter einen Hut zu kriegen. Das heißt natürlich, eine gute Struktur zu haben, eine gute Agenda … und sich auch an der Nase nehmen. Weil ich muss mich an der Außenwelt adaptieren und nicht daran, was vorher im Radsport war: nur Training, Rennen und Erholung. Das ist hier die Schwierigkeit. Aber am Schluss ist ein Jahr vorbei. Also es ist jetzt schon über ein Jahr her, dass ich aufgehört habe. Und ich bin immer noch am herausfinden, wo ich was verbessern kann. Es ist noch sehr viel Neuland. Und diese Neuland braucht noch ein bisschen Zeit.
Auch nach seiner erfolgreichen Karriere gibt Fabian Cancellara weiterhin Gas.
„Ich bin zu ambitioniert, um einfach nur Zuhause zu sitzen“
Du bist jetzt auch zertifizierter Sportmanager. Ist es Dein Ziel, irgendwann im Radsport einzusteigen?
Dieser Sportmanagement-Lehrgang war wichtig für mich, um allgemein weiterzukommen. Wo dann die Reise hingeht – ob das jetzt Spitzensport ist, Breitensport oder individuell Sportmanagement – es kann in alle Himmelsrichtungen gehen. Ich denke, was ich jetzt gemacht habe, ist der first step into the next level, into the next Project. Also was auch kommt, es wird mir sehr helfen und es hat mir auch schon sehr viel geholfen. Es war sehr spannend und ich will einfach nicht stehen bleiben. Ich bin zu ambitioniert, um einfach nur Zuhause zu sitzen und nichts zu machen. Darum bin ich froh, dass ich gewisse Projekte habe, mich weiter gebildet habe – und wie gesagt: das ist noch lange nicht alles, denn es geht weiter und an dem muss man dranbleiben. Weil beim Training im Radsport hast Du genau das gleiche. Von nichts kommt nichts.
Der Stundenweltrekord ist aber kein Thema mehr?
Nein, gar nicht mehr.
„Stefan Küng wird vorne mitfahren“
Auf Kopfsteinpflaster war Deine große Stärke. Wen würdest Du aktuell als den vielleicht stärksten Fahrer auf diesem Terrain bezeichnen?
Es ist aktuell keiner da, der direkt heraussticht. Ich denke, es hat allgemein ein gutes, solides Feld an Rennfahrern. Aber jetzt zu sagen „der ist der beste oder der könnte es werden“ ist schwer zu sagen. Wie gesagt, es ist sehr breit gestreut. Aber das ist ja auch wieder gut, weil das ermöglicht, wieder neue Rennfahrer an das Ganze heranzuführen und dann vielleicht den Unterschied auszumachen.
Der Schweizer Stefan Küng ist im Zeitfahren schon sehr weit. Kann er sich auch auf Kopfsteinpflaster dorthin entwickeln?
Ja, sicher auch. Ich denke, er ist einer der Rennfahrer, der prädestiniert ist für diese Disziplin und auch für das Zeitfahren. Es braucht vielleicht noch ein oder zwei Jahre – dann wird er vorne mitfahren. Er hat das Zeug dazu, um vorne wirklich mitzufahren.
Bei der Zeitfahr-WM wahrscheinlich sowieso?
Ich weiß nicht, wie seine ganze Vorbereitung aussieht. Es kommt auch immer auf die Länge an. Aber sicher hat er das Potential. Das Ziel ist da. Er muss nur seinen Weg finden, um dorthin zu kommen.
„Wir könnten 8 Fahrer & 2 Wochen machen“
Was hält Fabian Cancellara von der Diskussion, die Teams bei Grand Tours vielleicht nur noch mit acht Fahrern antreten zu lassen?
Man kann ja acht Rennfahrer und zwei Wochen machen. Denn aktuell sind es drei Wochen und neun Rennfahrer. Das ist schon ein Unterschied, ob Du zu acht oder zu neunt drei oder zwei Wochen fährst. Die Kilometerzahl ist ja auch nicht immer ohne. Da braucht man natürlich Schützenhilfe. Man muss alles diskutieren, nicht nur einfach sechs oder acht Rennfahrer oder zwei oder drei Wochen. Ich denke, die Tour macht es sich ein bisschen einfach zu sagen „ja, acht Rennfahrer bedeuten weniger Kontrolle“. Dann kann man auch sagen, wir machen zwei Wochen. Denn dann ist es auch weniger intensiv und hart. Weil am Schluss ziehen sich drei Wochen einfach schon. Wenn Du dann harte Etappen hast, dann gibt es in der letzten Woche nur noch Grupetto überall. Und das Rennen wird an der Spitze gemacht. Das ist dann auch nicht mehr so interessant.
Ein weiteres Streitthema ist immer noch der Funk.
Ich denke, Streitthema ist ein bisschen übertrieben. Es kommt immer auf die Situation an. Wenn es um die Sicherheit geht, bin ich immer noch der Meinung, dass es wichtig ist, dass der Funk vorhanden ist. Denn ich hab schon X Situationen erlebt, wo wir froh waren, dass der Funk da war. Und wir wussten, da kommt die Ambulanz wegen einem Unfall. Nicht für die Rennfahrer, sondern einfach für die Straße. Die Autos müssen ja irgendwo durch und die Ambulanz auch. Oder auch bei Gefahren auf der Strecke oder bei Stürzen kannst Du viel, viel besser handeln. Wir sind nicht mehr bei Eddy Merckx, nicht mehr bei der alten Garde. Jetzt sind wir im modernen Radsport. Technologie kommt immer mehr. Eines Tages kannst Du Radrennen gucken und siehst die ganzen Watt-Werte. Unter Umständen bekommst Du die ganze Information über den Radio. Die Formel 1 hat es ja auch schon ein bisschen. Der Radsport wird sich in diese Richtung entwickeln, denn wir werden digital gezüchtet, sag ich mal. Und das ist sicher ein Bereich, der noch mehr im Kommen ist.
Alles klar. Ich danke für das Interview.
Super! Ich danke auch.