Test: Das Merida One Twenty 8000 geht auch 2019 mit „nur“ 120mm in die Saison, jedoch hat man Rahmen und Ausstattung eine traillastige Frischzellenkur verpasst und aus dem zahmen Tourer ein spritziges Trailbike gezaubert.
Merida One Twenty 8000: Rahmen und Geometrie
Das Merida One Twenty – dem Namen nach – kein neues Bike im Portfolio des Zweirad-Riesen von Merida. Auch optisch scheint der kurzhubige Allrounder dem Modell des vorigen Jahres zu entsprechen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar, dass man mit einigen Anpassungen bei der Geometrie und auch bei der Ausstattung aus dem einstigen Tourenrad ein veritables Trailbike gemacht hat, das sich nicht vor anderen Rädern dieser Gattung zu verstecken braucht – obwohl auch das 2019er One Twenty nach wie vor ’nur‘ 120mm Federweg am Heck und 130mm vorn bietet.
Für den Test haben wir uns mit dem One Twenty 8000 die zweit-teuerste Ausstattungsvariante für 6.799 Euro vorgenommen. Wie das fast 2.000 Euro teurere Topmodell kommt es mit dem extrem leichten CF4 Carbonrahmen, der optisch wie technisch einen hervorragenden Eindruck macht. Beim Hinterbau setzt Merida auf den bekannten, schwimmend aufgehängten Full Floater, der ein schluckfreudiges Fahrwerk verspricht, das dank hohem Drehpunkt aber auch in Uphillpassagen nicht allzusehr zum Wippen neigen dürfte. Der Dämpfer kommt im modernen Trunnion Mount Standard und holt aus einer kurzen Gesamtlänge vergleichsweise viel Hub heraus – das Resultat ist ein geringeres Übersetzungsverhältnis und ein theoretisch sanfteres Ansprechverhalten. Dieses wird durch das Kugellager am oberen Dämpferauge weiter unterstützt.
Sehr schön gelöst ist auch die Verlegung der Leitungen und Züge: Sie alle verlaufen komplett im Rahmeninneren, an den Ein- und Ausgängen sind kleine Metallplättchen eingesetzt, die es erlauben, die Leitungen zu klemmen und dadurch auf Spannung zu halten; Klappern ausgeschlossen!
Geometrie Merida OneTwenty 8000
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 400 | 440 | 480 | 520 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 572 | 592 | 614 | 636 |
Steuerrohr (in mm) | 95 | 95 | 105 | 115 |
Kettenstrebe (in mm) | 435 | 435 | 435 | 435 |
Radstand (in mm) | 1140 | 1160 | 1184 | 1208 |
Lenkwinkel (in °) | 67.3 | 67.3 | 67.3 | 67.3 |
Sitzwinkel (in °) | 75.5 | 75.5 | 75.5 | 75.5 |
Reach (in mm) | 415 | 435 | 455 | 475 |
Stack (in mm) | 607 | 607 | 616 | 625 |
Anfangs bereits angerissen, überrascht das Merida One Twenty 2019 mit einer äußerst modernen und im Vergleich zum Vorjahr in einigen Punkten angepassten Geometrie. Das kürzere Sattelrohr erlaubt mehr Bewegungsfreiheit und eine Variostütze mit mehr Hub, der flachere Lenkwinkel und der gewachsene Reach sorgen für Pluspunkte bei der Laufruhe. Damit das Rad aber seine Spritzigkeit nicht verliert, hat Merida die Kettenstreben um 10mm verkürzt.
Merida One Twenty 8000: Ausstattung
Rahmen | One-Twenty CF4 |
Federgabel | RockShox Pike RCT3 |
Dämpfer | RockShox Deluxe RT3 |
Laufräder | FSA Gradient LTD |
Reifen VR | Maxxis Minion DHR II 2.4" |
Reifen HR | Maxxis Forekaster 2.35" |
Schaltwerk | Sram X01 Eagle |
Schalthebel | Sram X01 Eagle |
Kurbel | Sram Descendant Carbon |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Code RSC |
Bremsscheiben | Sram Centerline 180 / 180mm |
Sattelstütze | KindShock LEV Integra |
Sattel | Prologo Nago X20 |
Vorbau | Merida Expert TR |
Lenker | Merida Expert TR |
Ja, knapp 7.000 Euro sind eine Menge Holz für ein Fahrrad – dennoch: Beim Merida One Twenty 8000 bekommt man für diesen Preis ein Gesamtpaket, wofür der MTB-Fan bei dem einen oder anderen Hersteller noch deutlich mehr auf den Tisch legen muss. Der X01 Eagle Antrieb von Sram liegt bei der Performance auf dem Niveau der Top-Gruppe XX1 und die wenigen Gramm Mehrgewicht sind angesichts des günstigeren Preises allemal zu verkraften; zumal Merida erfreulicherweise nicht „mogelt“ und auch beim Shifter und der Kassette nicht etwa die günstigeren GX Eagle Komponenten verbaut wie manch anderer Hersteller. Das Rock Shox Fahrwerk mit dem Deluxe RT3 Dämpfer am Heck und der Pike RCT3 mit 130mm Federweg an der Front gewinnt vielleicht keinen Pokal an der Eisdiele, muss sich aber auf dem Trail keineswegs verstecken und kann hier auch mit der Creme de la Creme mithalten – zumal im Federwegsbereich, in dem sich das One Twenty bewegt.
Gefreut haben wir uns über die Code RSC Bremse: Auf den ersten Blick mag der Wurfanker von Sram für ein Rad wie das Merida überdimensioniert wirken, aber dank der guten Dosierbarkeit und des nur minimalen Mehrgewichts gegenüber den deutlich schwächeren Guide-Bremsen ist die Code auch an einem kurzhubigen Rad eine ausgezeichnete Wahl und zeigt die neue Ausrichtung des einstmals zahmen Tourenbikes. In eine ähnliche Richtung zeigt auch die Bereifung: Der Minion DHR II an der Front stünde auch dem einen oder anderen Enduro gut zu Gesicht und dank des umso leichter rollenden Forekasters am Heck wird das Merida auch mit diesen Pneus nicht zu träge.
Ein Highlight bei der Ausstattung ist in dieser Preisklasse der FSA Gradient LTD Laufradsatz, dessen Carbonfelgen eine Innenweite von 29mm haben und problemlos auch mit breiten Reifen zurechtkommen. Solide Standardkost gibt es beim Cockpit aus eigenem Hause mit erfreulich kurzem Vorbau und 760mm breiten Lenker. Die Variostütze kommt von Kind Shock: Die bewährte LEV Integra bietet ab Rahmengröße M 150mm Verstellweg und zählt nach wie vor zu den leichtesten Verstellstützen am Markt.
Merida One Twenty 8000: Auf dem Trail
Gibt man dem One Twenty die Sporen, so geht es willig vorwärts. Kein Wunder, ein 29er mit 120 Milliemtern Federweg kann gern auch ein Marathonfully sein. Das ist das Merida nicht. Trotzdem klettert es willig, fast freudig in Richtung Gipfel. Das liegt an der von allen Testern als sportlich empfundenen Sitzposition, dem überschaubaren Gewicht und wohl auch an den vergleichsweise leichten Laufrädern. Den Dämpfer sollte man aber über die Druckstufe ruhig stellen. Dass es dann flott voran geht merkt man auch daran, dass hier alle Tester mit dem 32er Kettenblatt gut klarkamen, einer Übersetzung die bei anderen Bikes im Testfeld beanstandet wurde.
Wenn man so gut oben ankommt, muss man ja meist bei der Abfahrt Abstriche machen. Das stimmt beim One Twenty so nicht. Klar, der Federweg von 120 Millimetern am Heck und 130 an der Front bügelt keine Löcher im Badewannen-Format weg. Trotzdem überrascht gerade der Hinterbau, der ist sogar so potent, dass die etwas langhubigere Gabel kämpfen muss. Das Merida ist nicht super handlich, dafür aber überraschend laufruhig und gutmütig, mehr als man es bei einem 120mm Bike erwarten würde. Das kommt durch die Länge und den guten Hinterbau zustande. Ein gutes Gefühl gibt auch der ruhige Lauf, nichts klappert oder scheppert am Rad.
Bei der Ausstattung bleibt man bei soliden und bewährten Komponenten. Etwas Luxus versprühen die FSA Gradient Carbon Laufräder die einen guten Eindruck hinterlassen – bei manch anderen Carbonfelgen kam in der Vergangenheit nicht wirklich Vertrauen auf. Bei anderen wiederum hatten wir schon das Gefühl sie wären extrem hart, es schüttelte dem Fahrer die Plomben aus den Zähnen. In beiden Punkten wussten die FSA Gradient zu überzeugen. Die Sram XO Schaltung und die Code RSC Bremsen Funktionieren tadellos, ebenso die Kind Shox Sattelstütze. Hier gibt es weder an Funktion noch an Bedienung was zu meckern, alles tut genau das was es soll. Die Maxxis Reifenkombi gefällt uns gut, vor allem der Minion an der Front bringt Sicherheit. Das hauseigene Cockpit ist nicht besonders aufregend, aber funktionell absolut nicht zu bemängeln. Gestört hat nur der recht schmale und harte Prologo Sattel, da kommt ein wenig Cross-Country Feeling auf.