Test: Es fällt auf, mit unorthodoxen Formen und in knalligem Rot steht es da, das Atom X Carbon Lynx 6 Pro S. Da man nie nach dem Aussehen urteilen sollte und wir von Vorschusslorbeeren nichts halten, haben wir einige Runden mit dem Rad gedreht um dem Carbon E-MTB auf den Zahn zu fühlen.
Wir wollen uns nicht lange mit der Optik aufhalten. Ja, sie polarisiert. Wenn etwas neu ist, anders ist, dann gibt es immer zwei Lager. So ist es auch beim Atom X. Andererseits: Einheitsbrei möchte niemand und irgendwer muss mutig voran gehen. Also: „Bravo beistegui hermanos!“ Noch dazu kann man beim Atom X ja von „Form follows Function“ sprechen. Der Akku lässt sich nach oben entnehmen, damit ist die Formgebung mehr als nur Design. Jetzt gibt es das Atom X also in Kohlefaser, die Alu-Variante haben wir vor einem Jahr testen dürfen. Damals hatten wir wenig zu bemängeln, bis auf die wenigen Rahmengrößen. Doch hier hat BH nachgebessert.
E-Mountainbikes: Test: BH Atom-X Lynx 6 27‘5 Plus Pro – Vollintegration par excellence
Test: Gespannt warten wir seit der Eurobike auf das neu entwickelte BH Atom-X Lynx 6 aus dem baskischen Hause BH Bikes. Ende März war es dann endlich soweit und ich wurde in die spanische Region Andalusien eingeladen, um in Malaga das neue Flaggschiff BH Atom-X Lynx 6 27`5 Plus Pro unter die Stollen zu nehmen. […]
Das BH Atom X Carbon Lynx 6 im Detail
Zwei Highlights am Atom X Carbon sind sicherlich der neue Brose Drive S Mag Antrieb mit reichweitenstarker Batterie und der außergewöhnliche Carbon Rahmen. In der vergangenen Saison vorgestellt, hat der neue Brose Motor mit Magnesiumgehäuse inzwischen den Weg an das eine oder andere Komplettrad gefunden. Zu den ersten gehört das neue BH Carbon E-MTB, das von besagtem neuen Motor des Berliner Herstellers auf Geschwindigkeit gebracht wird. Ohne an dieser Stelle allzu tief ins Detail gehen zu wollen (alle Infos zum Brose Drive S Mag hier), verspricht der neue Antrieb mehr Power, mehr Beschleunigung als der Vorgänger, ohne das unnachahmlich natürliche Unterstützungsgefühl der Brose Antriebe dafür zu opfern. Mit dem ebenfalls neuen 720Wh Akku sollten außerdem auch lange Touren ohne Wechsel des Energiespeichers oder zwischenzeitliches Laden problemlos möglich sein.
Der komplett neu entwickelte Carbonrahmen orientiert sich beim Design klar am optisch markanten Alu-Pendant. Übergänge und Formsprache kommen an der Kohlefaser-Variante jedoch ungleich gefälliger daher und ergeben trotz des unorthodoxen Ansatzes ein harmonisches Gesamtbild. Auch bei der Geometrie hat man hier und da etwas Feintuning betrieben: Die insgesamt ausgewogene Geometrie fällt beim Carbon Atom X eine Spur sportlicher und abfahrtsorientierter aus: Der Lenkwinkel ist nun etwas flacher, der Hauptrahmen minimal länger. Wie gesagt, Feintuning; dennoch dürfte sich das Atom X Carbon im direkten Vergleich doch etwas laufruhiger über den Trail manövrieren lassen, ohne dabei die komfortable Sitzposition und die Tourentauglichkeit spürbar zu beeinträchtigen.
Geometrie BH Atom X Carbon Lynx 6
MD | LA | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 450 | 480 | 510 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 609 | 628 | 646 |
Steuerrohr (in mm) | 95 | 110 | 125 |
Kettenstrebe (in mm) | 461 | 461 | 461 |
Radstand (in mm) | 1213 | 1234 | 1255 |
Lenkwinkel (in °) | 66.5 | 66.5 | 66.5 |
Sitzwinkel (in °) | 74.5 | 74.5 | 74.5 |
Reach (in mm) | 441 | 456 | 471 |
Stack (in mm) | 608 | 621 | 634 |
Bevor wir nun zur Ausstattung unseres Testbikes kommen, ein paar Worte zur Modellfamilie des Atom X Carbon. Das neue BH E-MTB ist als Lynx 6 Variante mit 160mm vorn und 150mm hinten und auch als Lynx 5 erhältlich. Letztere bietet vorn 140mm, hinten 135. In beiden Modellreihen hat man die Wahl zwischen drei verschiedenen Ausstattungsvarianten. Unser Testmodell, das Atom X Carbon Lynx 6 Pro S stellt für 6.999 Euro die mittlere Ausstattungsvariante dar. Den Einstieg bildet das Lynx 6 Pro mit 6.299 Euro, das Topmodell Lynx 6 Pro-SE wird 7.799 Euro kosten. Bei der Ausstattung gibt es jedoch auch an unserem Bike kaum etwas zu meckern: Fox Performance Fahrwerk mit der wuchtigen 36er Gabel vorn, Shimano XT 11-fach Schaltung und SLX Bremsen mit großen 200er Scheiben; durchweg solide, ohne jedoch besonders edle Komponenten zu verbauen.
Rahmen | BH Atom X Carbon Lynx 6 |
Federgabel | Fox Float 36 Performance |
Antrieb | Brose Drive S Mag |
Akku | 720Wh |
Dämpfer | Fox Float DPS Performance |
Laufräder | Alexrims Volar 3.8 TR |
Reifen VR | Schwalbe Magic Mary 2.8 Zoll |
Reifen HR | Schwalbe Magic Mary 2.8 Zoll |
Schaltwerk | Shimano XT 11-fach |
Schalthebel | Shimano SLX |
Kurbel | FSA 32t |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Shimano SLX |
Bremsscheiben | Shimano SLX 203mm |
Sattelstütze | Kind Shock Eten-I |
Sattel | Selle Royal Verve |
Vorbau | BH A-Head |
Lenker | BH Light Alloy Riser 780mm |
Die App und die Bedienung des BH Atom X Carbon Lynx 6
Zur App und generell zu Bedienung von Motor und Software wollen wir ein bisschen ausführlicher Stellung nehmen. Generell ist die App eine gute Sache. Übersichtlich und schnell einzurichten ist sie und funktioniert sofort. Auch das Koppeln mit dem E-bike geht absolut easy. Das Kartenmaterial zur Navigation ist normalerweise bei der App kostenpflichtig (z.B. Europa Karte 4,79 Euro), damit kann man eigentlich gut leben. BH macht den Käufern des Atom X ein Einstandsgeschenk: Bei Registrierung des Rades bekommt man Kartenmaterial geschenkt. Einige kleinere Kinderkrankheiten sind uns noch aufgefallen, beispielsweise Übersetzungsfehler wie: „Die Navigation wird funktionieren nach die Karte installieren“. Auch nicht ganz optimal: Wenn man das System bei einer Pause ausschaltet, wird die bereits gefahrene Tour wieder auf „null“gesetzt. Das soll aber mit einem Update gelöst werden.
Beim Hochfahren begrüßt das System den User mit einer netten farbigen Animation, das verkürzt die lange Ladezeit subjektiv etwas. Es darf aber auch etwas dauern, denn das Teil hat 256MB Arbeitspeicher und erlaubt verschiedenste Entwicklungen für die Zukunft. Das Display sitzt etwas exponiert, wir konnten aber während des Tests nicht feststellen, dass es außergewöhnlich gefährdet wäre. Außerdem hat BH zwei Dinge richtig gemacht: -1- Das Display sitzt solide in Metall verpackt, als Teil des Vorbaus gut verschraubt am Lenker und macht insgesamt einen sehr Robusten Eindruck. -2- Das Display ist im Fall der Fälle für einen Bruchteil dessen zu ersetzen, was Nyon und Co kosten. Also kann man diese Lösung insgesamt positiv bewerten. Auch weil der Informationsgehalt, die Bedienung und die Optik einfach gut sind! Uns erreichte in letzter Minute noch eine Info dazu: ab der kommenden Saison gibt es alternativ zum jetzigen „HeadUp“ Display die Möglichkeit, auf ein schlichteres, hinter dem Lenker platziertes Display zurück zu greifen / umzurüsten. Leider dürfen wir es noch nicht zeigen, aber wir können klar bestätigen, das es einen sehr guten Eindruck macht.
Der Bedienhebel ist gut gemacht, gibt über Vibration zusätzlich Feedback, die Modi sind intuitiv zu Wählen, alles wunderbar.
BH Atom X Carbon Lynx 6: Auf dem Trail
Das Design des Atom X resultiert aus dem nach oben entnehmbaren Akku mit Satten 720 Wattstunden. Ordentlich Reichweite ist damit garantiert. Die Entnahme über Schlüssel oder Smartkey Armband funktioniert problemlos und intuitiv, gefällt uns viel besser als andere Intube Lösungen. Die Verriegelung rastet beim Einbau des Akkus teilweise etwas widerwillig ein. Dieser Umstand könnte jedoch auch an unserem Testmuster liegen. Das Atom X profitiert ganz klar vom neuen Brose Antrieb. Immer noch harmonisch, aber mit mehr Power geht der Antrieb zu Werke. Der Brose Drive S Mag-Motor ist 17 % kleiner, verfügt über einen Dreifach-Sensor und eine maximale Trittfrequenz von 130 U/min so wie 5 Unterstützungsgrade; Eco 75 %, Eco+ 150 %, Sport 250 % und Boost 410 %. Was sollen wir dazu sagen, wir sind rundum zufrieden mit dem Brose. Wurde er in der Vergangenheit von uns für sein Fahrverhalten und seine angenehme, harmonische und intuitive Leistungsabgabe immer gelobt, so vermissten wir doch immer etwas Kraft. Der S Mag lässt deutlich stärker die Muskeln spielen als seine Vorgänger. Ein nahezu perfekter Kompromiss aus allen Wünschen, die wir an einen E-Bike Antrieb haben.
Das Fahrwerk hält keine Überraschungen bereit. Es fühlt sich nach den aktuellen BH Modellen an. Atom X, X Tep und auch Atom X Carbon weichen hier wenig voneinander ab, und das ist auch gut so. Das Fahrwerk ist eher komfortabel, könnte Enduro-Profis die sich sehr viel Feedback wünschen, eventuell nicht gefallen. Wir denken aber, dass 99 Prozent der Fahrer damit glücklich werden. Es rauscht nicht durch den Federweg, ist aber eher schluckfreudig. Die Fox Federelemente verrichten ihren Dienst sehr souverän, auch ohne lange Abstimmungs-Orgien. Die fetten Magic Mary Reifen tragen ihren Teil zur guten Traktion bei. Bergauf schiebt der Antrieb ordentlich, die Reifen krallen sich in den Untergrund, und dank eher langem Heck klettert das Atom X trotz entspannter Sitzposition sehr gut.
Bergab sollte man das BH so bewegen wie fast alle E-Mtbs: Vorausschauend fahren, eher die direkte Linie wählen, wilde Tricks und gewagte Flugmanöver sollten gut überlegt sein. Point and Shoot, das funktioniert prächtig. Das BH Atom X Carbon will ja deutlich steifer und leichter sein als das Alu-Pendant. Das können wir ohne direkten Vergleich im Praxistest nicht fühlen. Was aber gar nicht negativ gemeint ist, schließlich waren weder Steifigkeit noch Gewicht für uns in irgend einer Art ein Problem beim Alu-Modell. Wer das Rad noch sportlicher bewegen möchte, könnte mit etwas leichteren und schmäleren Reifen sicher schnell und einfach die Performance noch zu Gunsten höherer Agilität verändern.
Auch eine Überlegung Wert: Einen 4-Kolben Bremssattel am Vorderrad, den vermissen wir, BH ist sich dessen aber bewusst und will 2020 nachbessern. Schön, wo doch viele Details wie die Ergon Griffe so gelungen sind. Die Schaltung funktioniert einwandfrei, die Laufräder sind im besten Sinne unauffällig, der Selle Royal Sattel ist ok, und die hauseigenen BH Teile passen auch. Große Fahrer kamen mit der verbauten Sattelstütze nicht zurecht, kleine ebenfalls nicht. Die Rahmenkonstruktion im „X-System“ hat Vorteile, bedingt aber auch die, nicht üppige, Länge des Sitzrohrs. Das war bei unserem Test nicht optimal, weil wir verschieden große Tester auf dem Rad hatten. In der Praxis ist das eher kein Problem, denn der fähige Händler wird im Regelfall für seinen Kunden die passende Einstellung und die Stütze mit dem passenden Hub verbauen.
Unterm Strich würden wir das Atom X Carbon empfehlen: Wer ein potentes E-MTB mit hoher Reichweite sucht, wird hier definitiv fündig. Während unseres Tests kam es immer wieder vor, dass Mitfahrer mit 500er Akku schon ein langes Gesicht machten wo das Atom X noch durchzieht. Der hohe Komfort und die exzellente Laufruhe wusste ebenso zu gefallen. Fest steht auch: Wer sich das Atom X Carbon aussucht, darf kein Problem damit haben aufzufallen und auf sein Rad angesprochen zu werden – das passierte uns während des Tests mehrfach. Insgesamt einfach ein sehr gutes, innovatives E-MTB mit vielseitigem Charakter!