Spektrum: Wenn es um die Entwicklung des Radverkehrs geht, schielen wir gerne zu unseren Nachbarn in die Niederlande. Immerhin sind uns unsere westlichen Nachbarn in Sachen Fahrradkultur einige Schritte voraus. Auch die heute veröffentlichte Studie aus den Niederlanden zum Thema „Fahrradunfälle und Senioren“ ist für sehr interessant.
Alarmierende Unfallzahlen bei Senioren
Die Grundbefunde des Niederländischen Fietsberaad sind eigentlich erschreckend. Die Anzahl der Fahrradunfälle mit älteren Menschen nimmt zu. Das liegt nicht unbedingt daran, dass das Radfahren gefährlicher geworden wäre.
Sowohl Zahlen von Statistics Netherlands als auch KiM belegen etwas anderes und legen damit einen logischen Schluss nahe: Seit Jahren steigen immer mehr ältere Menschen auf das Fahrrad – damit steigen auch die Unfallzahlen.
Allein bei den tödlichen Fahrradunfällen lag der Anteil der über 80-Jährigen im Jahr 2019 bei 27 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es nur 12 Prozent. Noch beeindruckender ist die Einteilung in die Kategorien „Ü60“ und „U60“. Demnach machen die über 60-Jährigen 72 Prozent aller Fahrradtoten aus. Bei den Radlern unter 60 Jahren ist die Zahl zwischen dem Jahr 2000 und 2019 von 50 Prozent auf 28 Prozent zusammengeschmolzen.
E-Bikes sind für ältere Menschen nicht gefährlicher
Immer mehr ältere Menschen auf dem Fahrrad führen zu mehr Unfällen. Logisch, denn häufig bestehen Probleme beim Auf- und Absteigen. Auch das zeitige Erkennen von Hindernissen und potenziellen Gefahrensituationen ist für Senioren ein signifikantes Problem, das zu einer überproportionalen Zahl an teils schweren Einzelunfällen führt. Aber auch das Linksabbiegen an Kreuzungen und andere komplexe Fahrmanöver sind typische Unfallursachen.
Die wohl interessanteste Erkenntnis der Niederländer ist jedoch, dass E-Bikes führ Senioren nicht gefährlicher sind als nicht motorisierte Fahrräder. Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher durch eine Datenbasis, nach der Senioren auf einem E-Bike nur 1 bis 4 km/h schneller unterwegs sind. Das Vorurteil vom „rasenden Rentner“ scheint also für die Masse der älteren E-Radlerinnen und Radler nicht zu stimmen. Wenn wir die Ergebnisse der Niederländer durchdenken, gibt es nur eines, was die Unfallzahlen bei Senioren tatsächlich reduziert: eine vernünftige Radinfrastruktur.