Spektrum: Wenn es um den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur geht, ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit ein wichtiges Argument, um Maßnahmen zu rechtfertigen. Im Hinblick auf die Maßnahmen, die hierzulande ergriffen werden, lohnt sich immer ein Blick zu unseren besonders fahrradaffinen Nachbarn in Dänemark und den Niederlanden. In der UDV-Publikation „Unfallforschung Kompakt – Vergleich der Radverkehrssicherheit (Deutschland, Niederlande, Dänemark)“ kommt die Organisation Unfallforschung der Versicherer (GDV) zu einer interessanten Erkenntnis.
Absolute Zahlen mit wenig Aussagekraft
Eine durchgeführte Vorstudie hat sich auf Basis des Jahres 2017 die Anzahl der verletzten und getöteten Radfahrer in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden vorgenommen. Einer Zahl von 14.124 Schwerverletzten stehen in Deutschland im Bezugsjahr 382 getötete Radfahrer entgegen. In den Niederlanden sind es 13.100 Schwerverletzte und 206 Tote. Deutlich niedriger fallen die Zahlen in Dänemark aus. Hier verletzten sich nur 475 Radlerinnen und Radler schwer – 27 starben.
Die Niederlande sind ein gefährliches Pflaster
Wirklich aussagekräftig sind die Zahlen aber erst, wenn sie in ein Verhältnis zur Einwohnerzahl oder zur jährlichen Kilometerleistung gesetzt werden. In Deutschland kamen im Jahr 2017 auf eine Million Einwohner 4,6 getötete Radfahrer. In Dänemark liegt das Verhältnis mit 4,7 nur geringfügig höher. Mit 12,1 tödlich verunglückten Radfahrern pro 1 Mio. Einwohner übernehmen die Niederlande die traurige Spitze.
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn wir die tägliche Verkehrsleistung (also die gefahrenen Kilometer auf dem Rad) in ein Verhältnis setzen. In den Niederlanden ist die Zahl der getöteten Radler pro 1 Million Kilometer pro Tag mit 4,9 am höchsten. Deutschland und Dänemark folgen mit 3,4 bzw. 3,0.
Gefährliche Verkehrsknotenpunkte entschärfen!
Die Studie deckte ebenfalls auf, dass ein Großteil aller Unfälle mit verletzten oder tödlich verunglückten Radlerinnen und Radlern an Verkehrsknotenpunkten stattfand. In Dänemark und den Niederlanden lag diese Quote bei jeweils 60 Prozent. In Deutschland bei 66 Prozent.
Auch wenn die Daten aufgrund der niedrigen Datenqualität aus den Niederlanden nicht zu 100 Prozent mit Deutschland und den Dänemark zu vergleichen sind, sind zwei Trends erkennbar.
Einerseits, dass das Radfahren in den Niederlanden überraschenderweise gefährlicher ist. Andererseits, dass rund zwei Drittel aller schweren Unfälle länderübergreifend an Knotenpunkten stattfinden. Die Handlungsanweisungen für einen sichereren Radverkehr sind daher klar: die Entschärfung von Knotenpunkten durch geeignete Radverkehrsinfrastruktur.
Moin,
es gibt bei der Studie mE ein paar Schwächen.
Neben der schlechten Vergleichbarkeit, auf welche die Ersteller auch selbst mehrfach hinweisen, sind die Angabe der Todesopfer und der Verletzten nur mit sehr viel Vorsicht zu genießen.
Mit der Begründung fehlender Daten geht die Studie folgendermaßen vor:
Gezählt werden in…
Deutschland und Dänemark:
Die Anzahl polizeilich erfasster Verkehrstote.
den Niederlanden:
Durch SWOV geschätzte Anzahl von Verkehrstoten, auf Basis von Patienteninformationen der Krankenhäuser.
Durch die Schätzung der SWOV ändert sich die Anzahl der tatsächlich registrierten, zu den hier genutzten Nummern enorm!
Verkehrstote Niederlande: zu Fuß : Radfahrer : Auto
Registriert 1 47 389
Real numbers 58 206 317
Die Zahlen haben sicher im Einzelnen alle ihre Berechtigung, lassen sich aber schlichtweg nicht gegenüberstellen.
Auch der Punkt der Häufung der Unfälle an Knotenpunkten ist mit Vorsicht zu genießen. Worauf die Studie ebenfalls selber hinweist.
Es wird erwähnt, dass die Dunkelziffer von Alleinunfällen bei 70% bis 90% liegt. Bedeutet, dass die Streckenabschnitte ohne andere Verkehrsteilnehmer stark unterrepräsentiert sind. Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern, aka deutlich häufiger gemeldete Unfälle, passieren logischer Weise an Knotenpunkten.
Die deutsche Infrastruktur als sicherer zu bewerten wenn man dazu sagen muss, dass die Vergleichsdaten geschätzt und die Dunkelziffer enrom ist, ist sehr gewagt.
Ich bin schon eine Menge km auf deutschen und niederländischen Straßen rumgeradelt und wage hierbei mal die steile These, dass ich mit der Erfahrung nicht alleine darstehe: Das Unfallpotential aufgrund von Verkehrsvermischung und schlechter Infrastruktur ist in Deutschland viel höher. Um ein wenig ketzerisch zu sein: Bei solchen Dunkelziffern und grob über den Daumen verglichene Zahlen, dürfte die Meinung einer einzelnen Person nahezu die gleiche Aussagekraft haben 😉
Tüdelü, schönen Tag noch und viele Grüße.