Radsport: Den wohl größten Umbruch der Saison beobachten wir bei Bora – hansgrohe. Der deutsche Rennstall verliert langjährige Wegbegleiter. Im Gegenzug wurden einige interessante Fahrer unter Vertrag genommen. Hat sich das Team aus Raubling damit einen Gefallen getan?
Bora – hansgrohe 2021: Die Entwicklung gerät ins Stocken
Der Aufstieg der deutschen Mannschaft Bora – hansgrohe zählt im Profiradsport zu den beeindruckendsten der Geschichte. Von einem mittelmäßigen Continental Team im Jahr 2010 – damals noch unter dem Namen NetApp – entwickelte sich der Rennstall binnen weniger Jahre zu einem der besten Teams der Welt. Jedes Jahr schien man einen Schritt vorwärts zu gehen. 2021 jedoch geriet die Entwicklung ins Stocken. Peter Sagan gewann eine Etappe und die Punktewertung beim Giro d’Italia, blieb ansonsten aber blass. Emanuel Buchmann hatte Verletzungspech und fuhr keine einzige Top 3 Platzierung ein. Mehr als nur ein Lichtblick war Wilco Kelderman mit seinem fünften Platz in der Gesamtwertung der Tour de France. Maximilian Schachmann gewann erneut Paris – Nizza, wurde Dritter beim Amstel Gold Race und Gesamtvierter bei der Tour de Suisse. Schlecht war sein Jahr und damit das von Bora – hansgrohe also gewiss nicht. Gekrönt wurde das Jahr bei der Tour de France durch die Etappensiege von Nils Politt und Patrick Konrad. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass Bora – hansgrohe insgesamt eher einen Schritt zurück gemacht hat. Und genau deshalb musste die Teamleitung in dieser Transferperiode auch reagieren.
Das Transferkarussell wirbelt den Kader durcheinander
Viele kommen, viele gehen. Bei Bora – hansgrohe herrscht in diesem Winter eine hohe Fluktuation. Nicht nur auf dem Rad, sondern auch daneben. Rolf Aldag wird neuer Sportlicher Leiter. Mit der Trennung von Peter Sagan und Pascal Ackermann beginnt eine neue Zeitrechnung. Während der zuerst genannte in den vergangenen zwei Jahren stark nachgelassen hat, konnte der zuletzt genannte die in ihn gesteckten Erwartungen nicht erfüllen. Außerdem war er unzufrieden, da er erneut nicht für die Tour de France nominiert wurde. Auch Daniel Oss, Maciej Bodnar, Erik Baska und Juraj Sagan verlassen das Team, ebenso wie die Deutschen Marcus Burghardt, Rüdiger Selig, Andreas Schillinger und Michael Schwarzmann. Zum Team stoßen mit dem Belgier Cian Uijtdebroeks und dem Deutschen Luis-Joe Lührs zwei erst 18-jährige Talente. Als Königstransfer kann man nicht einen herauspicken. Sam Bennett und Danny van Poppel sollen in den Sprints für Erfolge sorgen. Aleksandr Vlasov, Sergio Higuita und Jai Hindley sind stark in den Bergen und können auf Gesamtwertung fahren. Den Kader für 2022 komplettieren Marco Haller, Jonas Koch, Ryan Mullen und Shane Archbold. Insgesamt wird Bora – hansgrohe also deutlich internationaler.
Bora – hansgrohe 2022: Jünger, stärker und erfolgreicher
Wer einen Peter Sagan und einen Pascal Ackermann verliert, muss wirklich einiges richtig machen, um sich qualitativ trotzdem zu verstärken – und genau das ist Teamchef Ralph Denk gelungen. Die beiden wohl schmerzhaftesten Abgänge werden direkt durch Sam Bennett und Danny van Poppel kompensiert. Und mit Jai Hindley, Sergio Higuita und Aleksandr Vlasov wird man in den Bergen deutlich stärker. So können die Ziele für 2022 nur höher gesteckt werden, als bisher. Sowohl bei den großen Landesrundfahrten, als auch bei den Klassikern gilt es jetzt, die Früchte der harten Arbeit zu ernten. Doch dafür müssen auch die bereits im Team befindlichen Fahrer eine Entwicklung durchmachen. Nils Politt hat angedeutet, dass er bei schweren Eintagesrennen vorn mitfahren kann. Der letzte Schritt aber fehlt noch. Emanuel Buchmann hat gezeigt, dass er bei einer Grand Tour in Podiumnähe fahren kann. Doch auch hier fehlt noch der letzte Schritt. Vielleicht wird es ihm gut tun, dass er nun ein enorm starkes Team für die Berge um sich herum hat. Gemeinsam mit den drei Neuen, mit Wilco Kelderman, Matteo Fabbro, Felix Großschartner und Patrick Konrad könnte Bora – hansgrohe ein reines Bergfahrer-Team um Emanuel Buchmann zur Tour de France schicken. Nicht vergessen dürfen wir auch Lennard Kämna, der vom Potential her der vielleicht sogar beste Klassementfahrer von allen ist. Bora – hansgrohe wird 2022 also bei allen drei großen Landesrundfahrten mindestens einen Trumpf haben.
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