Test / E-MTB: Lange hat sich Propain Zeit gelassen, doch nun ist es da – das Sresh SL, das erste Light-E-MTB des Direktversenders aus dem Allgäu. Mit dem Versprechen, das natürliche Fahrgefühl eines Mountainbikes mit dezenter, aber effektiver Unterstützung zu kombinieren, betritt das Sresh SL eine hart umkämpfte Bühne. Ausgestattet mit dem leisen TQ-HPR60-Antrieb, einem durchdachten modularen Akku-Konzept und einer Fülle an Konfigurationsmöglichkeiten, will es sowohl eingefleischte E-Biker als auch neugierige „Bio-Biker“ überzeugen. Wir haben das Rad auf den anspruchsvollen Trails von Finale Ligure ausgiebig getestet, um herauszufinden, ob diese Rechnung aufgeht und für wen das Konzept des Sresh SL am besten passt.
Das Propain Sresh SL: Die Fakten
Propain hat sich Zeit gelassen für den Einstieg in das Segment der leichten E-MTBs. Das Ergebnis, das Sresh SL, ist dann jedoch auch alles andere als ein Schnellschuss. Es präsentiert sich als durchdachtes Gesamtkonzept, das auf einen leichten Vollcarbon-Rahmen, das bewährte PRO10-Hinterbausystem und eine moderne, aber nicht zu extreme Geometrie setzt. Mit 160 mm Federweg an der Front und 150 mm am Heck positioniert sich das Sresh SL als potenter Allrounder für den Trail- und All-Mountain-Einsatz.
Herzstück: Der TQ-HPR60 Antrieb
Die Wahl des Antriebs fiel auf den TQ-HPR60, einen Motor, der für sein geringes Gewicht, seine kompakte Bauweise und vor allem für seinen nahezu geräuschlosen Betrieb bekannt ist. Mit 60 Nm maximalem Drehmoment und einer Spitzenleistung von 350 Watt ordnet er sich auf dem Papier etwas hinter Light-Antrieben wie einem Bosch Performance Line SX ein. TQ’s patentiertes Harmonic-Pin-Ring-Getriebe sorgt für eine direkte und natürliche Kraftentfaltung ohne das abrupte Einsetzen, das man von manch anderen Motoren kennt. Gesteuert wird das System über ein elegant ins Oberrohr integriertes Farbdisplay und eine minimalistische, ergonomische Remote am Lenker. Die dazugehörige App erlaubt zudem ein individuelles Tuning der Unterstützungsstufen, von der maximalen Leistung bis zum Ansprechverhalten des Pedals.
Einzigartig: Das modulare Akku-Konzept
Ein herausragendes Merkmal des Sresh SL ist sein modulares Akku-System. Propain setzt hier auf maximale Flexibilität. Der Akku ist nicht nur entnehmbar – eine Seltenheit bei Light-E-MTBs –, sondern auch in zwei Größen erhältlich. Standardmäßig kommt das Rad mit einem leichten 360-Wh-Akku, der das Gesamtgewicht niedrig hält. Optional kann ein größerer 580-Wh-Akku gewählt werden, der für deutlich mehr Reichweite sorgt. Wichtig zu beachten ist, dass der 580-Wh-Akku aufgrund seiner Länge erst ab Rahmengröße M passt. Für Fahrer der Größe S oder für jene, die für besonders lange Touren noch mehr Kapazität benötigen, gibt es einen optionalen Range Extender mit zusätzlichen 160 Wh. Dieser wird mittels eines speziell entwickelten Flaschenhalters von Sixpack sicher und klapperfrei am Rahmen befestigt. Ein intelligentes Batteriemanagement sorgt dafür, dass bei angeschlossenem Range Extender zuerst dessen Energie verbraucht wird, bevor auf den Hauptakku zurückgegriffen wird. Dies ermöglicht es, den Extender erst bei Bedarf unterwegs anzustecken.
Rahmen, Geometrie und Details
Der Rahmen des Sresh SL besteht vollständig aus „Blend Carbon“, einer Mischung verschiedener Carbonfasern, um an jeder Stelle des Rahmens die optimale Balance aus Steifigkeit, Flexibilität und Schlagfestigkeit zu erreichen. Das PRO10-Hinterbausystem mit 150 mm Federweg ist so ausgelegt, dass es feinfühlig anspricht, im mittleren Federwegsbereich genügend Gegenhalt bietet und über eine hohe Endprogression für grobe Schläge verfügt.
Ein Flip-Chip an der Dämpferaufnahme ermöglicht die Anpassung der Geometrie für den Einsatz mit reinen 29-Zoll-Laufrädern oder einer Mullet-Konfiguration (29″ vorne, 27.5″ hinten). Mit einem Lenkwinkel von 64,5 Grad und einem effektiven Sitzwinkel von 78 Grad (in der 29″-Konfiguration) ist die Geometrie modern und auf Abfahrtsperformance ausgelegt, ohne die Klettereigenschaften zu vernachlässigen.
| S | M | L | XL | |
|---|---|---|---|---|
| Reach (mm) | 425 | 450 | 475 | 500 |
| Stack (mm) | 618 | 627 | 636 | 645 |
| Sitzrohr (mm) | 390 | 410 | 430 | 460 |
| Lenkwinkel (in °) | 64,1 | 64,1 | 64,1 | 64,1 |
| Sitzwinkel (in °) | 77,6 | 77,6 | 77,6 | 77,6 |
| Oberrohr (mm) | 589 | 616 | 642 | 662 |
| Kettenstreben (mm) | 450 | 450 | 450 | 450 |
| Steuerrohr (mm) | 100 | 110 | 120 | 130 |
| BB Drop (mm) | 31/12 | 31/12 | 31/12 | 31/12 |
Propain beweist Liebe zum Detail: Der Kunde hat die Wahl zwischen einer klassischen internen Zugführung mit Eingängen am Steuerrohr oder einer vollintegrierten Verlegung durch den Steuersatz für eine extrem saubere Optik. Großzügige Rahmenschützer an Ketten- und Sitzstreben sowie ein cleveres Motorcover, das ein Multitool beherbergt, runden das durchdachte Paket ab.
Das Propain Sresh SL im Praxistest
So viel zur Theorie. Auf dem Trail muss das Sresh SL beweisen, dass die Summe seiner Teile ein überzeugendes Fahrerlebnis ergibt. Unser Testbike in Größe L kam in einer hochwertigen Ausstattung, die dem „Ultimate“-Build-Kit von Propain nahekommt, und wurde mit beiden Akkugrößen sowie dem Range Extender getestet.
| Rahmen | Sresh SL Blend Carbon |
| Federgabel | Rockshox Lyrik Ultimate |
| Antrieb | TQ HPR60 |
| Akku | 360 Wh |
| Dämpfer | Rockshox Superdeluxe Ultimate |
| Laufräder | Newmen Beskar 30 Trail |
| Reifen VR | Continental Kryptotal Enduro Supersoft |
| Reifen HR | Continental Kryptotal Enduro Soft |
| Schaltwerk | Sram X0 Transmission |
| Schalthebel | Sram AXS Pod |
| Kurbel | Praxis Works Carbon |
| Umwerfer | Ohne |
| Bremse | Sram Maven Silver |
| Bremsscheiben | Sram HS2 200/200 mm |
| Sattelstütze | Rockshox Reverb AXS 175 mm |
| Sattel | |
| Vorbau | Sixpack Millenium |
| Lenker | Oneup Carbon Riser 20mm |
Der erste Eindruck: Gewicht und Handling
Das Gewicht ist der erste Punkt, der positiv auffällt. Mit dem 360-Wh-Akku wiegt das Rad knapp 18,9 kg (Größe L, ohne Pedale) – ein hervorragender Wert für ein E-MTB mit dieser Federwegsklasse und einer robusten Ausstattung. Dieser Gewichtsvorteil macht sich sofort auf dem Trail bemerkbar. Das Sresh SL fühlt sich lebendig und verspielt an, lässt sich leicht in die Luft ziehen und agil durch enge Kurven manövrieren. Es vermittelt ein Fahrgefühl, das erstaunlich nah an einem unmotorisierten Mountainbike ist. Mit dem schwereren 580-Wh-Akku steigt das Gewicht auf rund 19,6 kg. Das zusätzliche Gewicht ist spürbar, beeinflusst den agilen Grundcharakter des Rades aber nur geringfügig. Das Rad liegt satter auf dem Trail, ohne träge zu werden. Der optional erhältliche Range Extender fügt weitere 1,2 kg hinzu und platziert dieses Gewicht relativ hoch im Rahmendreieck, was den Schwerpunkt spürbar nach oben verschiebt. Für den permanenten Einsatz ist er daher weniger zu empfehlen, als Notfallreserve im Rucksack jedoch eine sinnvolle Option.
Motor und Reichweite in der Praxis
Der TQ-HPR60-Motor ist der heimliche Star des Sresh SL. Seine größte Stärke ist seine Unauffälligkeit. Im Gelände ist der Antrieb akustisch praktisch nicht wahrnehmbar. Man hört lediglich das Abrollgeräusch der Reifen und das Arbeiten des Fahrwerks. Auch die Kraftentfaltung ist extrem natürlich und harmonisch. Es gibt keinen abrupten Schub, stattdessen fühlt es sich an, als hätte man plötzlich übermenschlich starke Beine. Wer einen Motor sucht, der ihn kraftvoll den Berg „hochschiebt“, ist hier falsch. Der TQ-Motor ist vielmehr ein kongenialer Partner, der die eigene Leistung subtil verstärkt. Er nimmt an steilen Rampen die Lastspitzen und ermöglicht es, länger im optimalen Pulsbereich zu fahren, ohne völlig zu erschöpfen. So bleibt mehr Kraft für die Abfahrt.
Die Reichweite ist, wie bei jedem E-Bike, stark vom Fahrstil und der gewählten Unterstützung abhängig. Wer den Motor lediglich als subtilen Support nutzt – also primär in den unteren beiden der drei Stufen –, kann selbst mit dem kleinen 360-Wh-Akku Touren mit 1.500 Höhenmetern und mehr bewältigen. Der 580-Wh-Akku erweitert den Aktionsradius entsprechend und macht das Sresh SL zu einem absolut tourentauglichen Begleiter. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, das Rad auch komplett ohne Akku zu fahren. Mit einem Gewicht von dann nur noch rund 17 kg wird das Sresh SL zu einem potenten Begleiter für den Bikepark-Einsatz oder Shuttle-Tage – ein echter Mehrwert, den nur wenige E-MTBs bieten. Zu beachten ist hier jedoch, dass die elektronischen Schaltungen per Kabel am Hauptakku hängen. Bei Sram muss man folglich stattdessen einen AXS Akku nutzen, bei Shimano Di2 ist man wohl zum Singlespeed-Einsatz verdammt.
Performance auf dem Trail
In der Abfahrt zeigt das Sresh SL seinen Allround-Charakter. Das PRO10-Fahrwerk arbeitet hervorragend und bietet eine exzellente Mischung aus Sensibilität und Gegenhalt. Es filtert kleine Unebenheiten effektiv weg, gibt aber gleichzeitig klares Feedback vom Untergrund. In schnellen, ruppigen Sektionen bleibt das Rad erstaunlich laufruhig und vermittelt viel Sicherheit. Der Hinterbau zeigt sich schluckfreudig und nutzt den Federweg effizient aus, ohne bei harten Schlägen durchzurauschen. In Kurven lässt sich das Rad präzise steuern und generiert hohen Grip.
Im direkten Vergleich zwischen der 29-Zoll- und der Mullet-Konfiguration gefiel uns im Test die reine 29-Zoll-Variante besser. Sie bot auf den steinigen Trails von Finale Ligure das bessere Überrollverhalten und fühlte sich insgesamt runder und ausbalancierter an, ohne dabei an Agilität einzubüßen.
Die Sitzposition ist bergauf dank des steilen Sitzwinkels sehr effizient und zentral. Man sitzt „im“ statt „auf“ dem Rad und bringt viel Druck auf das Vorderrad, was das Klettern in technischen Passagen enorm erleichtert. Auf flacheren Tretstücken kann die Sitzposition für große Fahrer zwischen zwei Größen (im Test L bei 1,86 m) jedoch etwas kompakt wirken. Hier könnte der Griff zur nächstgrößeren Rahmengröße eine Überlegung wert sein.








