Warum einen technisch tadellosen Rahmen aussortieren, wenn seine Oberfläche in die Jahre gekommen ist? Velomotion zeigt, wie ein altes Rennrad mit neuer Lackierung aufgewertet wird – inklusive Verwandlung vom Crosser zum Gravelbike.
Fahrräder sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer besser geworden. Wo man früher von weichgetretenen Stahlrahmen raunte, sind Alterung und Dauernutzung heute kaum noch ein Thema. Carbonrahmen können, wenn sie frei von äußeren Beschädigungen sind, quasi ewig leben, und die Ermüdung von Aluminium ist angesichts von modernen Fertigungsmethoden und der Dimensionierung konventioneller Rahmen kaum noch ein Thema.
Dennoch beschleicht uns hin und wieder der Wunsch nach neuem Material: Sei es, weil das aktuelle Rad etwa durch neue Anbaustandards (Steckachsen, Flatmount-Bremsen…) unmodern geworden ist, sei es, weil es äußerlich in die Jahre gekommen ist und einfach nicht mehr gefällt. So ging es mir mit meinem Crossrad, ein Alu-Focus aus 2015 – vor Jahren gebraucht gekauft und mit SRAM-Teilen zum Wettkampfrad aufgerüstet, nun aber mit dem unruhigen Dekor und deutlichen Nutzungsspuren in die Jahre gekommen. Technisch dagegen ist das Bike immer noch aktuell mit Steckachsen und im Unterrohr geführten Zügen und Leitungen. Den Rahmen oder das Komplettrad zu verkaufen, macht wirtschaftlich wenig Sinn – was also tun?
Rat weiß Hans-Peter Schumacher. Der ehemalige Radprofi betreibt mit seiner Eigenmarke HaPe Bikes seit Jahrzehnten einen Fahrradhandel, hat sich in den letzten Jahren aber immer stärker auf seine Lackiererei verlegt. Dort entstehen individuelle Rahmen für die Fahrer seines Teams „24h Team Voreifel“ und Auftragsarbeiten für Bikeshops und Radhersteller, außerdem natürlich Wunschlackierungen für alle, die das Besondere suchen oder einfach nur neuen Lack am Rad brauchen.
Leute wie mich zum Beispiel, denn ich habe beschlossen, das Alu-Rad zum Gravelbike umzurüsten. Aufgrund seiner Geometrie mit kurzen Oberrohr ist es für diesen Einsatzzweck ohnehin wie geschaffen; bis auf Kassette, Laufräder und Bereifung können alle Komponenten weiter genutzt werden. Eine Wunschfarbe habe ich auch schon: ein kräftiges Orange mit blassroten Schriftzügen, die je nach Lichteinfall kaum zu sehen sind.
Letztere stellen für Hans-Peter Schumacher den ersten Arbeitsschritt dar: Wenn er Markenlogos und andere Dekor-Elemente nicht von den Herstellern bekommt, fertigt er sie am Rechner selbst an; aus der Vektordatei entstehen später Schablonen, anhand derer das Dekor auflackiert werden kann. „Die Anfertigung der Dateien berechne ich in der Regel nicht“, so Schumacher. „Wenn ich sie einmal gemacht habe, kann ich sie ja immer wieder verwenden.“
Aber erst einmal steht natürlich das Entlacken an. Alu-Rahmen werden von einem Betrieb in der Nähe behandelt, bei Carbon ist aufwendiges Abschleifen von Hand nötig. Dabei gilt: Je mehr von der alten Farbe abgetragen wird, desto leichter sind Rahmen oder Gabel hinterher. Allerdings erfordert das Schleifen viel Sorgfalt und ist entsprechend zeitaufwendig. „Manche Rahmen sind durch das Abschleifen mit der neuen Lackierung leichter“, erzählt Hans-Peter; im Idealfall bliebe das Gewicht aber in etwa gleich.
Die von mir gewählte einfarbige Lackierung ist natürlich die bei weitem schlichteste Variante. In der Lackierkabine hängen MTB-Rahmen und Federgabel eines Teamfahrers, die zeigen, was in Sachen Dekor alles möglich ist; ein Hingucker ist auch der changierende Metallic-Lack, der je nach Lichteinfall zwei komplett unterschiedliche Farben zeigt. Und natürlich können Logos aller Art einlackiert werden, bis hin zum individuell angefertigten Aufkleber. Teillackierungen bietet Schumacher auch an, etwa, wenn ein Carbonrahmen repariert wurde. Um dann den exakt richtigen Farbton zu treffen, bestellt er einen Spezialisten, der sein Spektrometer mitbringt, sodass die Ursprungsfarbe genau bestimmt und nachgemischt werden kann.
Mit mehreren Farbschichten, die jeweils lang genug aushärten müssen, dazu dem abschließenden Klarlack, dauert das Lackieren seine Zeit – und einfach ist es auch nicht. Gerade an Ecken und Kanten braucht man für einen gleichmäßigen Farbauftrag viel Übung; Hans-Peter Schumacher gibt gerne zu, dass dies ein längerer Lernprozess war. Im konkreten Fall ist das Endergebnis jedenfalls perfekt zu nennen: Der Lack ist extrem glatt und überall gleichmäßig aufgetragen; an Ausfallenden und Bremssockeln zeigt sich, dass extrem sorgsam abgeklebt wurde. Definitiv die Arbeit eines Profis und in Sachen Upcycling ein Aha-Effekt: Dass dies ein fünf Jahre altes Rahmenset ist, erkennt man nur an den Postmount-Bremssockeln, die weitgehend vom Markt verschwunden sind.
Zeit zum Abrechnen: Eine derart schlichte Lackierung schlägt mit 300 Euro zu Buche. Davon entfallen gut 100 Euro auf die Farbe selbst, rund 50 Euro auf Entlacken des Rahmens und Schleifen der Gabel und der Rest auf die Arbeitszeit. Beim Carbonrahmen wird es wegen des großen Aufwandes beim Schleifen 100 Euro teurer; wer sich’s zutraut, kann diese Arbeit auch selbst übernehmen. Mehrfarbige Lackierungen, Sonderfarben und Farbübergänge kosten natürlich mehr.
Doch wenn es in erster Linie darum geht, einem alten Rahmen neues Leben einzuhauchen, ist derartiger Aufwand nicht nötig – und ohnehin liegen Uni-Lackierungen im Trend. Mein altes Focus schlägt sich im übrigen sehr gut als Gravelbike; die recht kompakte Sitzposition kommt dem neuen Einsatzzwecke entgegen, und die große Reifenfreiheit erweist sich als zusätzliches Plus: Mit 47 mm breiten Reifen auf 650B-Felgen ist das Rad noch einmal deutlich geländegängiger als ein Crosser mit 32er Pneus – und es wird nicht das letzte sein, das ich von Hans-Peter Schumacher lackieren lasse…