Radsport: Wenn am 8. Mai in Turin der Startschuss fällt, geht es bereits um jede Sekunde. Die Giro d’Italia Favoriten müssen schon früh die Karten auf den Tisch legen. 5 Fahrer haben beste Chancen, 3 Wochen später in Mailand auf dem Podium zu stehen. Wir stellen sie euch vor.
Simon Yates (BikeExchange)
Als relativ klarer Topfavorit hat sich Simon Yates vor dem Start des 104. Giro d’Italia positioniert. Mit seinem Auftritt bei der Tour of the Alps fuhr er sich allerdings so dermaßen in die Favoritenrolle, dass ihn dies noch vor Probleme führen könnte. Einerseits weiß die Konkurrenz, wie unglaublich stark der Brite ist. Andererseits ist er erschreckend früh in Topform. Fraglich, ob er diese bis in die letzte Giro-Woche retten kann. Dort wird er sie auf Grund der harten Bergetappen nämlich definitiv brauchen. Vieles erinnert an das Jahr 2018. Auch damals befand er sich schon zu Beginn der Rundfahrt in Topform, fuhr alles in Grund und Boden. Dann kam der Einbruch. Besser machte er es Ende derselben Saison, als er die Vuelta a Espana gewann. Kann er seine Form konservieren und fährt er ab und an etwas zurückhaltender, als es seiner Natur entspricht, dann führt kein Weg an Simon Yates als Giro-Sieger vorbei. Zumindest individuell betrachtet ist er dann der stärkste. Schwächen erkennen wir im Team. Lediglich Mikel Nieve wird ihm im Hochgebirge helfen können.
Egan Bernal (Ineos Grenadiers)
Wenn Egan Bernal bei einer Rundfahrt am Start steht, muss er automatisch als einer der Favoriten gehandelt werden. Der Kolumbianer gewann bereits die Tour de France, die Tour de Suisse, Paris – Nizza und die Kalifornien-Rundfahrt. Dabei war das nur ein Auszug seiner Erfolge und er ist im Januar erst 24 Jahre alt geworden. Auch die Mannschaft, die ihm hier in Italien zur Seite gestellt wird, ist ein Pluspunkt, der klar für ihn spricht. Mit Daniel Martinez, Pavel Sivakov und Ivan Sosa kann er gleich auf mindestens drei Edelhelfer bauen. Zweifel am Leistungsvermögen lassen lediglich seine letzten Auftritte aufkommen. Die vergangene Saison war nicht gut. Bei der Tour de France brach er völlig ein. Sehen wir diesen Bernal, ist er auch hier chancenlos. Kehrt er zu alter Stärke zurück, wird er mit diesen Teamkollegen an seiner Seite nur schwer zu schlagen sein.
Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe)
Auch bei Emanuel Buchmann war das beste Jahr 2019. Als Vierter der Tour de France wusste der Deutsche zu überzeugen. Damit gelang es ihm sogar, in diesem Land wieder einen kleinen Radsport-Hype auszulösen. Danach sprach man vom möglichen Tour-Sieg. Doch der ruhige Mann aus Ravensburg fiel in ein kleines Loch. Wegen Corona wurde der Kalender der Saison 2020 durcheinander gewürfelt. Für ihn war genau das nicht gut, denn nach seinem Sturz beim Critérium du Dauphiné – und zuvor ganz starken Leistungen – fand er nicht mehr ganz zur alten Stärke zurück. Die Tour de France beendete er auf Rang 38, ehe er die Saison vorzeitig beendete. In diesem Jahr fehlt bislang der Nachweis, dass er es bis zum Giro d’Italia zur absoluten Topform zurück schaffen könnte. Doch die Hoffnungen sind riesig. Das Potential ist zweifelsohne vorhanden. Profitieren könnte Emanuel Buchmann von seiner Rolle als Außenseiter. Die Konkurrenz kennt ihn, wird ihn aber weniger ernst nehmen, als manch andere klangvolle Namen. Ein Problem könnte hingegen die Mannschaft sein. Bora – hansgrohe ist sicher nicht schlecht aufgestellt, aber mit Matteo Fabbro und Felix Großschartner hat man vermutlich nur zwei Männer fürs Hochgebirge. Da sind andere Teams besser aufgestellt.
Hugh Carthy (EF – Nippo)
Mit 1,93 m zählt Hugh Carthy zu den größten Radprofis seiner Generation. Obwohl sein Körperbau eigentlich dagegen spricht, ist der Brite zum starken Bergfahrer geworden. Spätestens aufgefallen sein dürfte dies Ende vergangenen Jahres, als er bei der Vuelta a Espana am Alto de Angliru gewann und letztendlich Gesamtdritter wurde. In der Saison zuvor verpasste er die Top 10 beim Giro d’Italia nur knapp. Diesmal soll es besser werden. Das Ziel ist klar: Podium auch in Italien! Und der Formaufbau verlief gut. Bei der Katalonien-Rundfahrt und der Baskenland-Rundfahrt fuhr er auf die Ränge 7 bzw. 12. Die Tour of the Alps beendete er auf der 5. Es scheint wahrscheinlich zu sein, dass er seinen Formhöhepunkt in der letzten Giro-Woche erreichen kann. Dann zählt er auf Grund seiner starken Kletter-Fähigkeiten automatisch zu den Topfavoriten. Und auch seine Mannschaft ist stark. Er kann unter anderem auf die Unterstützung von Ruben Guerreiro, Simon Carr und Jonathan Caicedo bauen.
Alexandr Vlasov (Astana – Premier Tech)
Was Hugh Carhty im vergangenen Jahr bei der Vuelta a Espana gelang, verpasste Alexandr Vlasov. Der Russe wurde nur Gesamtelfter und verfehlt das Podium deutlich. Beim Giro d’Italia in dieser Saison soll es klappen. Als alleiniger Kapitän bekommt er mit Edelhelfer Gorka Izagirre einen starken Mann an seine Seite gestellt. Mit Rang 2 bei Paris – Nizza und Platz 3 bei der Tour of the Alps hat er sich auf jeden Fall in die Favoritenliste gefahren. Als starker Kletterer bekannt, könnte er mit seiner offensive Fahrweise das Ergebnis stark beeinflussen – auch zu seinen Gunsten. Sein einziger Negativpunkt ist die fehlende Erfahrung. Der Russe hat noch keine dreiwöchige Rundfahrt wirklich auf konstant hohem Niveau bestritten. Doch vielleicht ist diese Unbekümmertheit am Ende genau sein Trumpf?
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Der erweiterte Favoritenkreis ist groß
Neben den 5 Topfavoriten ist der Kreis der Podiumsanwärter beim diesjährigen Giro d’Italia riesig. Zahlreiche Teams haben sogar zwei Fahrer in ihren Reihen, welchen eine vordere Platzierung zuzutrauen ist. Hier ein Auszug weiterer Kandidaten:
- Daniel Martin (Israel Start-Up Nation)
- Daniel Martinez (Ineos Grenadiers)
- Ivan Sosa (Ineos Grenadiers)
- Pavel Sivakov (Ineos Grenadiers)
- Joao Almeida (Deceuninck – Quick-Step)
- Remco Evenepoel (Deceuninck – Quick-Step)
- George Bennett (Jumbo – Visma)
- Marc Soler (Movistar)
- Jai Hindley (DSM)
- Romain Bardet (DSM)
- Vincenzo Nibali (Trek – Segafredo)
- Bauke Mollema (Trek – Segafredo)
- Mikel Landa (Bahrain – Victorious)
- Pello Bilbao (Bahrain – Victorious)