Test Rondo Bogan ST1: Der „Monstercrosser“ des polnischen Anbieters hat nicht nur Anbaumöglichkeiten in Hülle und Fülle zu bieten. Das supersolide Stahlrad gefällt auch mit viel Fahrspaß auf anspruchsvollen Strecken, was es nicht zuletzt seinen Zwei-Zoll-Reifen zu verdanken hat.
Rondo hat keine Lust, mit dem Strom zu schwimmen, und keine Angst davor aufzufallen. Und das sieht man den Rädern des Unternehmens auf den ersten Blick an: Vom vorne abgeplatteten Steuerrohr des Rondo Ratt bis zum megaflachen Lenkwinkel des neuen Trail-Gravelbikes Mylc weisen alles Modelle der Marke Besonderheiten auf, die sie aus der Masse hervorheben. Und das Rondo Ruut ist das wohl einzige Fahrrad, das es wahlweise in Carbon, Alu, Stahl oder Titan gibt.
Rondo Bogan ST1: „Monstercrosser“ mit dicken Reifen
In einer anderen Liga spielt das Rondo Bogan ST1. Das Stichwort lautet „Monstercross“, und darunter kann man sich spätestens dann etwas vorstellen, wenn man die 2,1 Zoll breiten Reifen sieht. Sie dominieren den schlanken Stahlrahmen, und nur die wuchtige Carbongabel kann ihnen optisch etwas entgegensetzen. Diesem Rad glaubt man sofort, dass über alles drüberrollen kann; außerdem spricht es mit einer Rekordzahl von 31 Gewindebohrungen an Rahmen und Gabel all jene an, die Gepäckhalterungen, Zubehör und Schutzbleche montieren wollen. Zum Bikepacking eignet sich das Bogan also auch sehr gut.
Anmutung und Geometrie sehen auf den ersten Blick nach „Gravel Trail“ aus: Der Lenkwinkel ist 70° flach und der Reach ziemlich lang. Auch der 60 mm kurze Lenkervorbau lässt erst mal eine eher kompakte Haltung vermuten. Nimmt man auf dem Rondo Platz, sitzt man in Bremsgriffhaltung freilich ziemlich gestreckt – und das, obwohl das Testrad in Größe M laut Hersteller-Empfehlung eigentlich eine Nummer zu klein für den Fahrer ist.
Ungünstige Lenkerform
Die Lösung des Rätsels liegt im nach vorne gebogenen „Rondo Boomerang“-Lenker, der die Sitzhaltung um gut 2,5 cm verlängert. Der stark ausgestellte Bügel, der sich von 42 cm am Oberlenker auf 54 cm an den Enden verbreitert (jeweils Mitte-Mitte) ist dann auch das einzige Teil am Rondo, das uns überhaupt nicht gefallen will. Und zwar deshalb, weil der nach vorne abgewinkelte Oberlenker ergonomisch sehr ungünstig ist. Man kann höchstens locker die Hände drauflegen, sobald man den Oberlenker aber umgreift, werden die Ellbogen nach außen gedreht, was ziemlich unangenehm ist und auch keine kompakte Haltung auf dem Rad zulässt.
Das bedeutet, dass beim Bogan ausschließlich die Bremsgriffhaltung in Frage kommt, und die wiederum ist dank der abgewinkelten Lenkerbögen sehr angenehm mit aerodynamisch günstig enger Armhaltung. So ist die Sitzposition eher sportlich, und das, obwohl noch 3 cm Spacer unterm Vorbau stecken.
Dass das Rondo trotzdem nicht gerade wie eine Rakete beschleunigt, liegt erst einmal am hohen Gewicht, das knapp elf Kilo zuzüglich Pedalen beträgt. Die großvolumigen Reifen rollen natürlich auch nicht gerade widerstandsarm, wenn man sie mit mit schmalen 40er Gravel-Pneus vergleicht. Interessant ist freilich, dass die Laufräder mit den zweizölligen Vittoria Terreno Dry nicht allzu schwer sind – fahrfertig mit allem drum und dran unter vier Kilo, dabei noch nicht mal tubeless aufgebaut. Ohne alles wiegt der Rondo-Radsatz etwa 1.800 Gramm, ein Reifen bringt 580 Gramm auf die Waage und ein Schlauch 160 Gramm.
Recht leichter Radsatz mit überzeugender Bereifung
Hat man einmal Fahrt aufgenommen, rollen die Pneus mit der glatten Lauffläche auf Asphalt geschmeidig ab; geht es dann auf den ersten holperigen Schotterweg, schlägt ihre große Stunde. Mit rund 1,8 bar Druck bieten die Vittoria ein hohes Maß an Stoß- und Vibrationsdämpfung und stellen herkömmliche 40er Gravelreifen damit spürbar in den Schatten. Doch die italienischen Pneus haben noch mehr zu bieten, nämlich überraschend viel Grip auf allen Arten lockeren Untergrundes, an Steilstücken ebenso wie in schnell gefahrenen Kurven. Auch wenn es etwas feucht ist, neigt die Lauffläche mit dem sehr zurückgenommenen Profil nicht dazu, die Traktion zu verlieren. Und die kräftigen Schulterstollen scheinen überall Halt zu finden.
Ein so dicker Reifen hat aber auch noch einen anderen Vorteil: Er überrollt Hindernisse beachtlicher Größe, darunter kantige Steine, Wurzeln und dicke Äste, sodass sich der Fahrer auf Vortrieb und Lenken konzentrieren kann, wo er beim 40er-bereiften Gravelbike deutlich aktiver fahren, das Vorderrad hochziehen und das Hinterrad entlasten muss. Mit dem Rondo lassen sich deutlich anspruchsvollere Strecken meistern bzw. deutlich einfacher fahren – und damit ist der „Monstercrosser“ ein Gravelbike mit hohem Offroad-Spaßfaktor im Stil eines ungefederten MTBs. Dazu passt auch, dass sich eine Vario-Sattelstütze nachrüsten lässt. Trotz des niedrigen Drucks sitzen die breiten Reifen übrigens sehr stabil auf den eher schmalen Felgen, die nur 23 mm Maulweite aufweisen. Sagt das etwas über den Trend zu breiten Gravel-Felgen aus?
Geometrieänderung ohne merkliche Auswirkungen
Ein typisches Merkmal von Rondo sind die „TwinTip“-Gabeln mit drehbaren Ausfallenden, die eine leichte Geometrieänderung ermöglichen. Wird die Vorderradachse oben platziert (Position „Hi“), sind Lenk- und Sitzwinkel um knapp 1° steiler, der Nachlauf wird etwas kürzer und das Cockpit wird abgesenkt. Beim Testrad klappt das allerdings nicht – der Reifen ist zu breit und reibt dann oben an der Gabel. Probiert man’s mit einem schmaleren Pneu, muss man feststellen, dass sich die Fahreigenschaften nicht spürbar ändern. Macht nichts – das Bogan ist nämlich auch so keineswegs träge. Stattdessen gefällt es mit durchaus handlicher Lenkung, kombiniert mit dem sicheren Geradeauslauf, den langer Radstand und flacher Lenkwinkel bieten. Und die drehbaren Einsätze an der Gabel dienen mit ihrem integrierten Gewinde immerhin auch zur Befestigung von Schutzblechen.
Rondo baut das 2.999 Euro teure Bogan ST1 mit eher einfachen Komponenten auf: Shimano GRX 400 mit 2×10 Gängen, dazu ein schlichter FSA-Kurbelsatz. Das funktioniert freilich sehr gut: Verglichen mit einem 1×12-Getriebe (40er Kettenblatt, Kassette 11-44) bietet die 2×10-Schaltung (46/30; 11-36er Kassette) einen leichteren Berggang sowie einen deutlich länger übersetzten Schnellgang mehr. Ihr Übersetzungsumfang liegt bei über 500 % – d. h. der schwerste Gang ist fünfmal so lang übersetzt wie der leichteste. Verzichten muss man beim Zehnfach-Kranz nur auf einen Gangsprung im schnellen Bereich. Damit ist die Budget-Gruppe durchaus eine gute Wahl, zumal die Bremsen gut dosierbar sind und stark zubeißen und die Schaltvorgänge ziemlich geschmeidig ablaufen. Nur der Umwerfer schaltet ungern unter Last – wird es steil, darf man nicht zu spät daran denken, aufs kleine Kettenblatt zu wechseln.
Viel Spaß im Gelände
Die Sache ist also klar: Mit dem Rondo Bogan ST1 hat man im Gelände viel Spaß, und in Sachen Bikepacking ist das Rad mit seinen 31 Gewindebohrungen sowieso in seinem Element. Nur einen anderen Lenker und evtl. einen dazu passenden längeren Vorbau sollte man gleich mitkaufen. Übrigens bietet Rondo mit dem Bogan ST2 ein Modell mit 1×11-Schaltung an, das mit 2.459 Euro deutlich günstiger ist, allerdings mit mechanischen Scheibenbremsen kommt. Für den sportlichen Einsatz ist es aber dennoch eine interessante Alternative.