Radsport: Am dritten Tag der Tour de France wartete heute die erste schwerere Etappe auf das Peloton. Am Ende jubelte Joaquim Rodriguez (Katusha) in Huy, der sich souverän gegen Christopher Froome durchsetzte. Doch auch vor dem großen Finale an der Mur de Huy gab es viel Dramatik.
Bei wesentlich besseren, sprich trockeneren Bedingungen begann die heutige Etappe mit einer neutralisierten Fahrt durch Antwerpen. Windig war es zwar noch immer, aber das war schon zuvor zu erwarten gewesen. Die ersten Rennkilometer verliefen ohne große Überraschungen. Schnell bildete sich eine 4-köpfige Fluchtgruppe, die innerhalb weniger Kilometer bereits einen Vorsprung von über drei Minuten herausfahren konnte. Martin Elmiger (IAM), Serge Pauwels (MTN Qhubeka), Jan Barta (Bora-Argon 18) und Bryan Nauleau (Europcar) bildeten das Quartett an der Spitze. Das Peloton ließ es unter Führung von Trek heute eher etwas ruhig angehen und begann erst rund 80 Kilometer vor dem Ziel, das Tempo anzuziehen. Nach und nach übernahmen dann auch die Favoritenteams von Etixx-QuickStep und Tinkoff-Saxo das Kommando.
Allmählich schmolz dann auch der Vorsprung der Ausreißer und der Druck von hinten stieg gleichzeitig immer mehr. Kurz bevor das Feld die Fluchtgruppe stellen konnte, geschah jedoch ein folgenschwerer Sturz: Ein Fahrer von FDJ verlor auf gerader Strecke die Kontrolle über sein Rad, stürzte und riss bei hohem Tempo knapp 20 Fahrer mit zu Boden. Unter den Gestürzten war beispielsweise auch das Gelbe Trikot Fabian Cancellara, Michael Matthews (Orica-GrennEdge) und Tom Dumoulin (Giant-Alpecin). Letzterer musste in der Folge sogar das Rennen aufgeben – sehr bitter für den so gut gestarteten Niederländer. Auch für William Bonnet (FDJ), Simon Gerrans (Orica GreenEdge) und Laurens ten Dam (LottoNL-Jumbo) ist die Tour nach diesem Sturz bereits beendet.
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Der Massensturz sorgte zwischenzeitlich für Chaos auf der Straße: Renndirektor Christian Prudhomme höchstpersönlich neutralisierte das Rennen und stoppte das Peloton. Anscheinend war es weiter hinten zu einem weiteren Sturz gekommen, der das Durchkommen der Rettungsfahrzeuge verhinderte. John Degenkolb fuhr unmittelbar vor den Gestürzten, doch war selbst im Ziel noch mitgenommen von den Ereignissen: „Das war wirklich krass. Ich hab nicht viel mitbekommen, weil es direkt hinter mir passiert ist. Es ist so traurig, dass wir Tom verloren haben – das ist ein herber Rückschlag und ich muss es erstmal verdauen. Irgendwie war es bei dieser Etappe zu erwarten, dass so etwas passiert.“ Auch Tony Martin konnte gerade noch ausweichen: „Ich hab’s nur Krachen hören, wir waren so schnell. Ich hoffe allen Gestürzten geht’s wieder einigermaßen, wir waren so schnell, puh.“
Danach gab es große Verwirrung: Das Rennen schien wieder freigegeben und die Mannen von Sky drückten sofort auf das Tempo, nur um Sekunden später wieder zurückgepfiffen zu werden – wieder stand das Peloton ratlos auf der Straße. Als es schließlich weiterging, waren viele Fahrer gezeichnet von dem Hochgeschwindigkeitssturz: Zerrissene Trikots, schmerzverzerrte Gesichter und viele um den Anschluss kämpfende Fahrer waren die Folge. Auch Fabian Cancellara hielt sich immer wieder den Oberschenkel und musste bald abreißen lassen, nachdem er zuvor sehr gut im Rennen gewesen war. Als ob der Verlauf nicht schon genügend Dramatik geboten hätte, traf das Peloton Minuten später auf eine Windkante, wo es auch wegen der riesigen Nervosität im Feld beinahe zum nächsten Sturz kam. Etixx Quick-Step und Astana nutzten die Situation sofort, machten Tempo und läuteten damit das Finale ein.
An der Mur de Huy kam es dann wie erwartet zum Showdown: Während der große Favorit Alejandro Valverde (Movistar) selten an der Spitze auftauchte, waren es Christopher Froome, Joaquim Rodriguez und Tejay van Garderen (BMC), die sich einen harten Kampf lieferten, den der Spanier mit einem unglaublichen Kraftakt schlussendlich überraschend souverän vor Froome und dem von hinten herangefahrenen Alexis Vuillermoz (ag2r) gewann. Von den Klassementfahrern kam Tejay van Garderen zusammen mit Nibali und Quintana ins Ziel. Alberto Contador verlor einige Sekunden, Thibaut Pinot (FDJ) gar über eine Minute.
Der Pechvogel aus deutscher Sicht bleibt nach wie vor Tony Martin. Nachdem er gestern schon in allerletzter Sekunde das Gelbe Trikot verpasst hatte, fehlt dem 30-jährigen nach der heutigen Etappe eine Sekunde auf den neuen Spitzenreiter Chris Froome. Inzwischen kann Martin aber fast schon über sein Pech lachen: „Ich kann nur noch drüber lachen. Ich hatte es heute selber in der Hand, aber hatte irgendwie schlechte Beine. Die Hitze und die mentalen Rückschläge der letzten Tage haben schon an mir genagt. Irgendwie wäre es auch nicht so toll gewesen heute ins Gelbe zu fahren, nachdem zwei meiner Hauptkonkurrenten gestürzt sind. Insofern kann ich das heute ganz gut verkraften.“
Endresultat Etappe 3 Tour de France 2015
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1., Joaquim Rodriguez,Katusha,03:26:54
2.,Christopher Froome,Sky,
3.,Alexis Vuillermoz,Ag2r,00:00:04
4.,Daniel Martin,Cannondale-Garmin,00:00:05
5.,Tony Gallopin,Lotto-Soudal,00:00:08
6.,Tejay van Garderen,BMC,00:00:11
7.,Vincenzo Nibali,Astana,
8.,Simon Yates,Orica GreenEdge,
9.,Nairo Quintana,Movistar,
10.,Bauke Mollema,Trek,
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[tab:Vorschau]
Heute wird die Tour de France ein Gastspiel auf belgischem Klassikerterrain feiern. Wenn es für das Peloton über 159,5km von Antwerpe nach Huy, also vom flämischen in den wallonischen Teil Belgiens geht, werden die Fahrer unter anderem mit dem schon fast berüchtigt löchrigen belgischen Asphalt kämpfen müssen, bevor am Ende die gefürchtete Maurer von Huy wartet. Nach ungefähr einem Drittel der Strecke wird das Peloton außerdem das kleine Örtchen Meensel-Kiezegem passieren – bei einigen eingefleischten Radsportfans schrillen wahrscheinlich schon die Glocken, allen anderen sei gesagt: Das kleine Dorf mit etwas über 1.000 Einwohnern ist der Geburtsort der kürzlich 70 Jahre alt gewordenen Radsportlegende Eddy Merckx.
Das große Highlight der Etappe ist aber natürlich die Mur de Huy. Der durch den Eintagesklassiker Wallonischer Pfeil bekanntgewordene, kurze, aber nichtsdestoweniger enorm anspruchsvolle Anstieg mit seinen bis zu 23% Steigung wird die erste richtig große Herausforderung der diesjährigen Tour werden. Das Profil über die lediglich 1,3km ist wie gemacht, um auch den kräftigsten Fahrer in die Knie zu zwingen, wenn er sich auch nur einen Moment der Schwäche leistet: Nach dem ersten Abschnitt mit 6-7% Steigung und einem kleinen Plateau wartet dann die berüchtigte S-Kurve, deren rampenartige 23% Steigung für einige schmerzverzerrte Gesichter im Peloton sorgen wird.
Die heutige Etappe ist wie gemacht für die Puncheurs im Feld – kräftige Fahrer wie Alejandro Valverde oder auch Joaquim Rodriguez werden hier heute wohl das Rennen machen. Ersterer gewann in diesem Jahr bereits den Flèche Wallonne und hat also bereits an der Mur de Huy bewiesen, dass mit ihm zu rechnen sein wird.
[tab:Karten und Profile]
Etappenprofil
Mur de Huy
Letzte 10 Kilometer
[tab:TV und Stream]
TV
Samstag, 06. Juli, 13:15 – 17:45 Uhr
Samstag, 06. Juli, 16:05 – 17:25 Uhr