Radsport: Joaquim Rodriguez (Katusha) feierte am Plateau de Beille nach enorm schweren 195km seinen zweiten Tour-Tagessieg in diesem Jahr. Bei teils infernalischen Bedingungen mit strömendem Regen und Hagel verwies der Spanier Jakob Fuglsang (Astana) und Romain Bardet (ag2r) auf die Plätze. Froome, Quintana, Contador und Nibali lieferten sich einen packenden Schlagabtausch, kamen aber zeitgleich ins Ziel.
Die heutige Etappe – die wohl schwerste in den Pyrenäen in diesem Jahr – bot wirklich alles, was das Radsportherz begehrt. Atemberaubende Landschaften, begeisternde Stimmung am Straßenrand, unzählige Attacken im Feld und vier Klassementfahrer die sich auf dem Weg zum Plateau de Beille einen packenden Kampf lieferten. Doch von Anfang an: Die erste nennenswerte Entscheidung fiel beim Zwischensprint nach etwas mehr als 20km: André Greipel (Lotto-Soudal) gewann vor John Degenkolb (Giant-Alpecin) und dem Mann in Grün, Peter Sagan (Tinkoff-Saxo). Damit rückt Greipel in der Punktewertung wieder bis auf zwei Punkte an Sagan heran.
Jener Zwischensprint war auch das Signal für die Ausreißer des Tages. Es fand sich rasch eine Gruppe von ca. 20 Fahrern, die sich vom Feld absetzen konnte und teils deutlich über zehn Minuten Vorsprung hatte. Darin war auch der spätere Tagessieger Joaquim Rodriguez und Straßenweltmeister Michal Kwiatkowski (Etixx-QuickStep) unterwegs. Doch die drei anspruchsvollen Berge des Tages – der Col de Portet Col (2. Kategorie), der Col de la Core und der Port de Lers (beide erste Kategorie) sorgten dafür, dass zu keinem Zeitpunkt wirklich Ruhe an der Spitze einkehrte. Immer wieder gab es Attacken, Fahrer fielen zurück, andere schlossen auf.
Die Favoriten Froome, Quintana, Contador, Nibali und van Garderen hielten sich zurück und fuhren mitsamt ihren Helfern an der Spitze des mittlerweile knapp 15 Minuten zurückliegenden Felds. Als um kurz vor 16.00 Uhr zwischen dem Etappenziel am Plateau de Beille und dem Port de Lers dann vom einen auf den anderen Moment die schwarzen Wolken am Himmel ihre Pforten öffneten, befand sich das neu gebildete Spitzenduo Michal Kwiatkowski und Sep Vanmarcke (LottoNL-Jumbo) gerade in der Abfahrt. Die Straße wurde durch den Regen schmierig und die vielen Kurven gerieten zur Rutschpartie. Erstes Opfer der schwierigen Bedingungen war Louis Meintjes von MTN-Qhubeka, der in der Abfahrt stürzte, aber trotz augenscheinlich schwerer Abschürfungen schnell wieder auf dem Rad saß und weiterfahren konnte.
Kwiatkowski ließ am Fuße des Plateau de Beille dann Vanmarcke stehen, der schnell von den Verfolgern um Rodriguez und Fuglsang gestellt wurde. Diese beiden waren es dann auch, die die Verfolgung auf den Polen an der Spitze aufnahmen und ihn innerhalb weniger Minuten auch stellen konnten. Der Weltmeister hatte sein Pulver verschossen und fiel schnell zurück. Derweil war es an der Spitze dann Rodriguez, der Fuglsang wiederum davonzog und ungefährdet zu seinem zweiten Sieg nach dem Triumph an der Mauer von Huy fuhr.
Einen wirklich mitreißenden Kampf lieferten sich die Klassementfahrer um Chris Froome am Plateau de Beille. Froome hatte mit Geraint Thomas und Richie Porte gleich zwei sehr starke Helfer um sich, Quintana verließ sich auf seinen Movistar-Kollegen Alejandro Valverde und Contador hatte ebenfalls zwei Helfer in der Gruppe, darunter der gestrige Tagessieger Rafal Majka – Nibali war hingegen wie oft bei der Tour weitestgehend auf sich gestellt und auch van Garderen hatte sichtlich Mühe das Tempo zu halten. Unerwartet lange belauerten sich die Anwärter des Maillot Jaune, bis schließlich überraschend zuerst Nibali, dann Contador attackierten. Doch beide Versuche wurden vom erneut schier übermächtigen Team Sky um Porte und Thomas im Keim erstickt. Auch Alejandro Valverde versuchte gleich zwei Mal eine Lücke zu reißen, doch auch er musste sich der Stärke von Sky beugen.
Das Ziel rückte immer näher und kurz vor der 4km-Marke war es dann Nairo Quintana, der Sky erstmals vor ernsthafte Schwierigkeiten stellte. Der Kolumbianer im Weißen Trikot konnte tatsächlich eine Lücke reißen und Richie Porte fiel zurück – er hatte enorm gearbeitet. Doch mit Geraint Thomas hat Froome eben noch einen zweiten starken Helfer in diesem Jahr, dem es schließlich auch gelang, Quintana wieder einzufangen. Der Brite im Gelben Trikot selbst wagte auch nochmals eine letzte Attacke knapp 3km vor dem Ziel, doch Quintana, Contador und van Garderen gelang es, die Lücke zu schließen.
500m vor der Linie fasste sich dann Alejandro Valverde ein letztes Mal ein Herz und endlich gelang es ihm auch, die Gruppe entscheidend zu distanzieren und ein paar Sekunden gutzumachen. Froome, Contador, Quintana, Nibali und van Garderen rollten zeitgleich über die Linie. Heute hatten sich vor allem Quintana und Valverde an Sky wirklich die Zähne ausgebissen und es wird spannend zu beobachten sein, ob die Briten dieses Tempo, diese Frische bis Paris konservieren können. Denn spätestens in den Alpen wird bei Movistar zur nächsten Attacke geblasen.
Endresultat Etappe 12 Tour de France 2015
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1.,Joaquim Rodriguez,Katusha,05:40:14
2.,Jakob Fuglsang,Astana,00:01:12
3.,Romain Bardet,ag2r-La Mondiale,00:01:49
4.,Gorka Izagirre,Movistar,00:04:34
5.,Louis Meintjes,MTN-Qhubeka,00:04:38
6.,Jan Barta,Bora-Argon 18,00:05:47
7.,Romain Sicard,Europcar,00:06:03
8.,Mikael Cherel,ag2r-La Mondiale,00:06:28
9.,Alejandro Valverde,Movistar,00:06:46
10.,Christopher Froome,Sky,00:06:47
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[tab:Vorschau]
Was für eine Etappe! Heute wird jeder einzelne Fahrer im Feld an seine Grenzen gehen müssen, viele wohl noch darüber hinaus. Die beiden Vortage in den Pyrenäen waren verglichen mit den heutigen 195km nicht mehr als ein müdes Vorgeplänkel. Es warten insgesamt drei kategorisierte Berge, der Col de Portet (2. Kategorie), der Col de la Core und der Port de Lers (beide erste Kategorie). Als wäre das nicht schon genug, ist es vor allem die Streckenführung und die Verteilung der schweren Anstiege, die die Etappe so anspruchsvoll machen.
Bereits nach 42km wartet nämlich der Col de Portet, wieder 40km nach dessen Gipfel der Col de la Core und 50km später der Port de Lers. Für die Fahrer bedeutet das: Wer an einem der Anstiege den Anschluss ans Feld oder das Hinterrad der Konkurrenz verliert, wird in der Folge kaum genügend Zeit haben, um den Rückstand wieder aufzuholen, sondern wahrscheinlich sogar noch mehr Zeit verlieren. Dies könnte bereits zu ersten größeren Abständen zwischen den Klassementfahrern führen. Ein solches Etappenprofil erfordert auch ein gutes Teamwork, um die Last möglichst auf mehrere Schultern zu verteilen und im richtigen Moment noch Reserven zu haben. Deshalb könnte es der Tag des Chris Froome werden, der mit seinen Teamkollegen von Sky die wohl beste Unterstützung der großen Favoriten genießen wird. Doch auch die Teams um Movistar (Quintana) und Tinkoff-Saxo (Contador) haben einige starke Kletterer in ihren Reihen.
[tab:Karten und Profile]
Etappenprofil
Col de la Core
Port de lers
Plateau de Beille
[tab:TV und Stream]
TV
Donnerstag, 16. Juli, 11:15 – 17:15 Uhr
Donnerstag, 16. Juli, 15:10 – 17:15 Uhr