Radsport: Vincenzo Nibali (Astana) wird einen der spannendsten Giro d’Italia aller Zeiten für sich entscheiden können. Der Italiener distanzierte Esteban Chaves (Orica-GreenEdge) mit einem Feuerwerk von Attacken und knöpfte ihm damit am vorletzten Tag der Rundfahrt noch das Maglia Rosa ab. Alejandro Valverde (Movistar) konnte unterdessen Steven Kruijswijk (Lotto-NL Jumbo) vom Podium stoßen und Mikel Nieve (Sky) fuhr Damiamo Cunego (Nippo-Vini Fantini) aus dem Bergtrikot. Der Etappensieg von Rein Taaramäe (Katusha) ging bei diesem spannenden Kampf um die Wertungen fast unter. Der Este löste sich am vorletzten Anstieg aus einer Spitzengruppe und konnte im Ziel als Solist seinen zweiten Sieg bei einer Grand Tour feiern.
Cunego war am Berg zu schwach
Nachdem der Kampf um das Rosa Trikot gestern noch einmal neu entfacht wurde, stand heute mit der 20. Etappe die Entscheidung an. Mit drei Bergen der 1. Kategorie und dem Schlussanstieg der 3. Kategorie kann man getrost von einer extrem harten Bergetappe sprechen. Doch neben dem Gesamtklassement ging es auf Grund der vielen zu vergebenen Punkte auch um das blaue Bergtrikot. Die frühen Attacken im Rennen galten vorwiegend dieser Wertung, so dass auch Damiano Cunego (Nippo-Vini Fantini) dazu gezwungen war, Teil der Gruppe zu werden. Dies gelang ihm anfangs auch, aber er konnte dem Tempo hinauf zum Col de Vars bereits nicht mehr folgen. Da jedoch seine vier größten Konkurrenten, Mikel Nieve (Sky), Stefan Denifl (IAM), Darwin Atapuma (BMC) und Giovanni Visconti (Movistar) in der elfköpfigen Spitzengruppe vertreten waren, konnte Altmeister Cunego sich den Traum vom Gesamtsieg in der Bergwertung schon frühzeitig aus dem Kopf schlagen.
Nieve gewinnt das Bergtrikot 2016
Der Österreicher Denifl gewann die erste Bergwertung des Tages, doch bei der zweiten hinauf zum Col de la Bonette attackierte Nieve und konnte sich von der Spitzengruppe absetzen. Der Spanier sah die Chance auf das Bergtrikot gekommen. Durch den Sieg bei der zweiten Bergwertung des Tages zog er an Cunego vorbei. Am Gipfel hatte Nieve 1:09 Minuten Vorsprung auf eine sechsköpfige Verfolgergruppe und 10:17 Minuten auf das Hauptfeld, doch um Kräfte zu sparen, ließ er sich auf der Abfahrt von seinen ersten Verfolgern wieder einholen. So befanden sich acht Fahrer an der Spitze des Rennens: Mikel Nieve (Sky), Alexander Foliforov (Gazprom-Rusvelo), Gianluca Brambilla (Etixx-Quick Step), Giovanni Visconti (Movistar), Tanel Kangert (Astana), Joseph Dombrowski (Cannondale), Darwin Atapuma (BMC) und Rein Taaramäe (Katusha). Da nur noch 42 Punkte für die Bergwertung zu vergeben waren und die rechnerisch einzig für Nieve verbliebenen Konkurrenten Denifl und Cunego nicht vorne fuhren, konnte Nieve den Gesamtsieg in der Bergwertung bereits vorzeitig feiern.
Etappensieg für Taaramäe
Währenddessen belauerten sich die Favoriten im Hauptfeld. Bis auf zwei kleinere Tempoverschärfungen von Movistar für Alejandro Valverde und von Tinkoff für Rafal Majka gab es an den ersten beiden Anstiegen keine nennenswerten Aktionen. Dies sollte sich hinauf zum Colle della Lombarda ändern, wo die Fahrer am Gipfel nicht nur die Grenze zwischen Frankreich und Italien passierten, sondern auch nur noch 10,3 km vom Ziel entfernt waren. Aus der Spitzengruppe lösten sich zunächst Dombrowski, Atapuma und Visconti, doch Kangert und Taaramäe konnten den Kontakt wiederherstellen. Vor dem Gipfel musste Kangert dann auf Kapitän Vincenzo Nibali (Astana) warten. Derweil setzte sich Taaramäe ab und konnte seinen Vorsprung in der Abfahrt und im Schlussanstieg erfolgreich verteidigen. Der Este gewann damit nach einer Etappe bei der Vuelta im Jahre 2011 sein zweites Rennen bei einer Grand Tour. Mit 52 Sekunden Rückstand folgte Atapuma, mit 1:17 Minuten dann Dombrowski.
Nibali mit einem Feuerwerk von Attacken
Nibali eröffnete das Feuer mit einer ersten Attacke hinauf zum Colle della Lombarda. 44 Sekunden musste der Italiener auf den Gesamtführenden Esteban Chaves (Orica-GreenEdge) aufholen, der sofort an das Hinterrad sprang und keine Schwächen offenbarte. Auch die anderen Klassementfahrer folgten ihnen. Michele Scarponi (Astana) führte die Gruppe der Favoriten noch einige Kilometer Richtung Gipfel, bevor Nibali erneut attackierte. Valverde und Chaves konnten zunächst folgen, mussten bei einer weiteren Attacke Nibalis jedoch abreißen lassen. Während Valverde um Rang drei gegen Steven Kruijswijk (Lotto-NL Jumbo) kämpfte, versuchte Chaves den Abstand zu Nibali nicht auf die bedrohlichen 44 Sekunden anwachsen zu lassen. Rigoberto Uran (Cannondale) gesellte sich zu den beiden und bemühte sich, das Tempo für seinen kolumbianischen Landsmann Chaves zu machen, doch dieser konnte nicht mehr folgen und verlor nicht nur den Anschluss zu Valverde, sondern flog kurz vor der Bergwertung wieder in die Gruppe um Majka und Kruijswijk zurück. Die Zeitangabe bestätigte die Vermutung: Nibali hat mit der Hilfe von Kangert bereits eine Minute auf die Chaves-Gruppe herausgefahren und sich damit virtuell in Rosa gekleidet.
Zweiter Giro-Sieg von Nibali steht bevor
Aus dem Zielbereich wurden immer wieder Bilder live ins Fernsehen übertragen, die auf der einen Seite Astana-Manager Alexander Vinokourov jubelnd mit der Faust zeigten, auf der anderen Seite aber auch die traurigen Eltern von Esteban Chaves. Nibali kam schließlich 6:44 Minuten hinter dem Tagessieger Taaramäe ins Ziel, Valverde und Uran folgten lediglich 12 Sekunden dahinter. Nibali hat auf den letzten Kilometern etwas nachgelassen, doch Chaves brach völlig ein. Er wurde sogar noch von Majka distanziert und verlor am Ende 1:36 Minuten auf Nibali. Der Italiener wird damit zum zweiten Mal nach 2013 die italienische Landesrundfahrt für sich entscheiden können. Im Zielbereich umarmten sich Nibali und die Mutter von Chaves, Astana jubelte überschwänglich, während Chaves völlig erledigt über den Zielstrich rollte.
Endergebnis Giro d’Italia Etappe #20
Platz | Fahrer | Land | Team | Zeit |
---|---|---|---|---|
1 | Rein Taaramae | EST | Katusha | 04:22:43 |
2 | Darwin Atapuma | COL | BMC | 00:00:52 |
3 | Joe Dombrowski | USA | Cannondale | 00:01:17 |
4 | Mikel Nieve | ESP | Team Sky | 00:04:12 |
5 | Alexander Foliforov | RUS | Gazprom-Rusvelo | 00:04:36 |
6 | Vincenzo Nibali | ITA | Astana | 00:06:44 |
7 | Alejandro Valverde | ESP | Movistar Team | 00:06:57 |
8 | Rigoberto Uran | COL | Cannondale | |
9 | Giovanni Visconti | ITA | Movistar | 00:07:47 |
10 | Rafal Majka | POL | Tinkoff | 00:08:06 |
Gesamtwertung Giro d’Italia
Fahrer | Land | Team | Zeit | |
---|---|---|---|---|
1. | Vincenzo Nibali | ITA | Astana | 86:32:49 |
2. | Esteban Chaves | COL | Orica-GreenEDGE | 00:00:52 |
3. | Alejandro Valverde | ESP | Movistar | 00:01:17 |
4. | Steven Krujswijk | NED | LottoNL-Jumbo | 00:01:50 |
5. | Rafal Majka | POL | Tinkoff | 00:04:37 |
6. | Bob Jungels | LUX | Etixx - Quick-Step | 00:08:31 |
7. | Rigoberto Uran | COL | Cannondale | 00:11:47 |
8. | Andrey Amador | COL | Movistar | 00:13:21 |
9. | Darwin Atapuma | COL | BMC | 00:14:09 |
10. | Kanstantsin Siutsou | BLR | Cannondale | 00:16:20 |