Test: Beim Österreichischen Hersteller von Simplon kann man auf viele Jahrzehnte Erfahrung im Bereich Fahrrad- und Rahmenbau zurückblicken. Insbesondere beim Thema Carbon zählt man schon seit den ersten Tagen zu den Experten, die technische Grenzen ausloten und auch vor neuen Ansätzen nicht zurückschrecken. Insofern ist es nicht allzu verwunderlich, dass man im letzten Spätsommer mit dem Steamer Carbon eines der ganze wenigen E-MTBs komplett aus dem leichten und edlen Werkstoff präsentierte. Wir haben es getestet.
Auch, dass das Steamer Carbon mit seiner extrem wuchtigen Optik weit weg von 0815-Optik ist, passt zu Simplon. Auch wenn – das müssen wir zugeben – die Optik des 150mm Fullys sicherlich nicht jedermanns Sache sein dürfte. Aber Optik hin, Geschmack her – technisch ist der Rahmen ein absolutes Schmuckstück mit vielen cleveren Detaillösungen.
Simplon Steamer Carbon: Der Rahmen
Die Formsprache des Simplon E-MTBs ist prägnant, ungewöhnlich und hebt sich klar von der Masse ab. Es dominiert das voluminöse Unterrohr, das den Akku beherbergt und fließend in den Bereich des Motors am Tretlager übergeht. Geschützt wird der wertvolle Energielieferant durch eine Kunststoffplatte am Unterrohr. Der Akku lässt sich im Fall der Fälle auch sehr einfach entnehmen und austauschen. Dass im Unterrohr noch Platz für Leitungen und Außenhüllen ist, versteht sich überdies von selbst. Für eine einfache Verlegung sind die Eingänge für die Leitungen verschraubt und lassen sich so einfach und schnell vergrößern.
Der Rahmen wusste uns aber vor allem durch die vielen kleinen Detaillösungen zu überzeugen, bei denen man spürt, dass sich die Entwickler viele Gedanken gemacht haben und vor allem auch eine hohe Dauerhaltbarkeit weit oben auf der Agenda stand. So hat man sich im Bereich des Hinterbaus sogar eine gelagerte Leitungsführung, den Center Cable Guide entwickelt und auch zum Patent angemeldet. Dadurch scheuert die Leitung während der Fahrt nicht am sich bewegenden Hinterbau. Auf der Innenseite der Sitz- und Kettenstreben schützen kleine Metallplatten den Carbonhinterbau beim Radwechsel vor Beschädigungen und Kratzer durch die Kassette oder die Bremsscheibe – sehr schön!
Der Trunnion Mount Dämpfer wird durch eine Carbonwippe komprimiert und stellt damit 150mm Federweg bereit. Entsprechend ausgewogen ist auch die Geometrie: Nicht zu abfahrtslastig, aber eben doch so, dass man es auch auf dem Trail bergab richtig krachen lassen kann. Die Kettenstreben messen 440mm und bewegen sich damit genau im mittleren Spektrum – so sollte das Vorderrad im Uphill am Boden bleiben, ohne dass während des Downhills die Agilität allzu sehr leidet.
Geometrie Simplon Steamer Carbon
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 390 | 440 | 480 | 520 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 580 | 600 | 620 | 640 |
Steuerrohr (in mm) | 120 | 120 | 130 | 140 |
Kettenstrebe (in mm) | 440 | 440 | 440 | 440 |
Radstand (in mm) | 1154 | 1174 | 1196 | 1217 |
Lenkwinkel (in °) | 67 | 67 | 67 | 67 |
Sitzwinkel (in °) | 74 | 74 | 74 | 74 |
Reach (in mm) | 402 | 422 | 439 | 456 |
Stack (in mm) | 622 | 622 | 631 | 640 |
Simplon Steamer Carbon: Die Ausstattung
Rahmen | Simplon Steamer Carbon |
Federgabel | RockShox Yari RC |
Antrieb | Shimano E-8000 |
Akku | 500Wh |
Dämpfer | RockShox Deluxe RT |
Laufräder | DT Swiss H1900 |
Reifen VR | Schwalbe Nobby Nic Addix Speedgrip 2,6 |
Reifen HR | Schwalbe Nobby Nic Addix Speedgrip 2,6 |
Schaltwerk | Shimano XT |
Schalthebel | Shimano XT |
Kurbel | Shimano XT |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Shimano XT |
Bremsscheiben | Shimano RT 86 180/180mm |
Sattelstütze | Kind Shock Lev Integra |
Sattel | Selle Italia SLR X-Cross Flow |
Vorbau | Simplon Zero 60mm |
Lenker | Simplon Carbon Riser 740mm |
Die Ausstattung des Simplon Steamer Carbon ist individuell – wie bei allen Bikes der Österreicher. Es gibt drei Grundausstattungsvarianten, die sich jedoch direkt auf der offiziellen Webseite noch individuell anpassen lassen. Unser Testrad entsprach größtenteils der XT-11 Ausstattung für 7.299€. Mit RockShox Fahrwerk, XT Antrieb und Bremsen und DT Swiss Hybrid E-MTB Laufrädern ist es durchweg gut ausgestattet. Dass man aber bei einem Rad in dieser Federwegs- und Preisklasse in allen Grundausstattungsvarianten auf deine Variostütze verzichtet, ist uns unverständlich. Im Konfigurator werden für eine Kind Shock LEV Integra 285€ Aufpreis fällig.
In sämtlichen Ausstattungsvarianten vertraut man auf den bewährten Shimano E-8000 Motor mit einem 500Wh Akku und dem bekannt ergonomischen und elegant gelösten Cockpit. Die Motorleistung wird per Daumenhebel im Trigger-Style gesteuert, das kleine, aber gut ablesbare Display neben dem Vorbau liefert die wichtigsten Informationen.
Das angesprochene Fahrwerk besteht aus einem Monarch RT Dämpfer mit metrischen Abmessungen und Trunnion Mount im Heck und einer Yari RC Federgabel an der Front. Optional können Freunde schneller Abfahrten auch eine Pike konfigurieren. Die XT 11-fach Schaltung bietet eine mehr als ausreichende Bandbreite für ein E-MTB, die XT 2-Kolben Bremsen dürften den meisten Fahrern ausreichen, kommen angesichts des hohen Systemgewichts bei langen Abfahrten jedoch an ihre Grenzen. Hier würden wir je nach Einsatzgebiet und Fahrergewicht empfehlen, eine 4-Kolben Magura Bremse aus dem Konfigurator zu wählen.
Die DT Swiss H1900 Laufräder sind eine sehr gute Wahl, sind für die erhöhten Belastungen eines E-MTBs gebaut und bieten mit 30mm Innenweite genügend Halt für die 2,6″ Schwalbe Nobby Nic Reifen. Letztere sind ein gelungener Kompromiss aus geringem Rollwiderstand und ausreichend Grip. Beim Cockpit gibt’s sogar einen Carbonlenker aus eigenem Hause. Standardmäßig fällt dieser mit 700mm für unseren Geschmack deutlich zu schmal aus, auch hier lässt sich jedoch im Konfigurator nachbessern: Ohne Aufpreis kann man sich ein breiteres Modell aussuchen. Leider ist bei 740mm Schluss – hier hätten wir uns eine Option auf 760 oder 780mm gewünscht.
Simplon Steamer Carbon: Auf dem Trail
Das Steamer Carbon ist eher als klassisches Allmountain denn als rassiges Race-Enduro konzipiert. Dennoch wollten wir uns die Chance nicht entgehen lassen, das Carbon E-Fully am Gardasee auch mal so richtig auf die Probe zu stellen. Bereits in der Morgendämmerung ging es also weit nach oben zum Val del Diaol Trail, der einigen auch als Skull Trail bekannt sein dürfte. Hier gibt’s wirklich alles, was das Enduro-Herz begehrt: Steile Steinfelder, große Anliegerkurven, Drops, Sprünge und auch die eine oder andere flowige Passage.
Zugegeben, wir hatten ein wenig damit gerechnet, dass wir das Simplon angesichts seiner Ausrichtung während der Abfahrt etwas im Zaum halten müssten. Doch schon nach den ersten paar Metern wurde uns klar, dass wir damit falsch lagen: Von unruhigem Fahrverhalten keine Spur, das Steamer Carbon lud stattdessen richtig zum Ballern ein und vermittelte viel Sicherheit. Na klar, das hohe Gewicht machte sich irgendwann in den Unterarmen bemerkbar und die Bremsen kamen nach einer Weile dann an ihre Grenzen. Aber trotzdem: Auf diesem Trail tummeln sich ansonsten auch viele waschechte Downhillbikes und angesichts dessen schlug sich das Simplon mehr als beachtlich.
Einige Uphills meisterte das Rad ebenfalls mit Bravour: Der Shimano Motor macht insbesondere im dynamischen Trail-Modus eine Menge Laune und bringt eigentlich immer mehr als genügend Leistung. Dass die Geräuschkulisse etwas höher ist als bei Bosch oder Brose, fällt bei einem E-MTB nicht allzu sehr ins Gewicht: Schließlich wird es meist ohnehin vom Knirschen des Trails unter den voluminösen Reifen übertönt.