Test: Das Thok MIG beweist, dass sich Denken „out of the Box“ lohnen kann. Das E-Fully der Italiener geht eigene Wege, optisch wie technisch und weiß damit zu überzeugen. Zudem ist es auch preislich ein durchaus attraktives Angebot.
Thok MIG: Rahmen und Geometrie
In den letzten Jahren gab es fast schon eine Flut neuer E-Mountainbikes auf dem Markt, neue Technologien wie integrierte Akkus und immer kompaktere Motoren eröffneten den Konstrukteuren neue Wege. Doch trotz all dieser neugewonnenen Freiheiten war über fast den gesamten Markt Hinweg ein ganz klarer Trend zu erkennen: Der überwiegende Teil der neu präsentierten E-MTBs der vergangenen ein, zwei Jahre sind sich – rein optisch – immer ähnlicher geworden. Einerseits natürlich logisch: Hatten sich die Hersteller in den jungen Jahren der E-Bikes noch ausprobiert und mussten zwangsläufig neue Wege gehen, weiß man nun, was funktioniert und was nicht. Umso erfrischender ist es immer wieder, wenn ein Hersteller mit seinen Bikes neue Wege geht und nicht ausschließlich auf Bewährtes setzt. So wie die Italiener von Thok mit ihren MIG E-MTBs.
Ganz klar, auf den ersten Blick fällt direkt die ungewöhnliche Akku-Platzierung des Shimano E-MTBs ins Auge: Nicht integriert, nicht auf dem Unterrohr – sondern darunter! Durch die Farbgebung hebt sich der Akku sogar noch mehr vom Rest des Rades ab und verleiht ihm seine markante Optik. Auch aus technisch-ergonomischer Sicht macht die Platzierung durchaus Sinn: Der Schwerpunkt liegt noch etwas tiefer als bei Akkus auf oder im Unterrohr, zudem lässt sich der Energiespeicher schneller entnehmen und auf Tour auswechseln als integrierte Lösungen. Wieso packt also kein anderer Hersteller den Akku an diese Stelle? Nun, zum einen ist er dort am E-MTB heraufgewirbelten Steinen ausgesetzt, zum anderen muss die Halterung überdurchschnittlich solide ausgeführt sein – schließlich zieht es den Akku bei jeder Unebenheit nach unten, aus der Halterung heraus. Ob es sich dabei um rein theoretische Probleme handelt? Das wird sich während unseres Tests zeigen.
Mit 140mm Federweg im Heck, 150 an der Front, Plusbereifung und dem Shimano E8000 Antrieb zeigt Thok klar, wo die Reise hingeht: Das MIG ist ein potentes E-MTB, dessen Stärken klar im „echten“ Gelände liegen sollten. Auch die Geometrie legt diese Vermutung nahe: Zwar gibt’s keine allzu extremen Winkel oder Abmessungen, dennoch sprechen 66° Lenkwinkel, ein recht langer Reach (450mm in L), das tiefe Tretlager und ein dazu passendes Cockpit aus kurzem Vorbau und breitem Lenker eine deutliche Sprache. Damit darf geballert werden!
Geometrie Thok MIG
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 400 | 435 | 470 | 520 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 560 | 585 | 615 | 650 |
Steuerrohr (in mm) | 100 | 100 | 130 | 150 |
Kettenstrebe (in mm) | 450 | 450 | 450 | 450 |
Radstand (in mm) | 1157 | 1183 | 1214 | 1251 |
Lenkwinkel (in °) | 66 | 66 | 66 | 66 |
Sitzwinkel (in °) | 74.5 | 74.5 | 74.5 | 74.5 |
Reach (in mm) | 405 | 426 | 450 | 479 |
Stack (in mm) | 596 | 606 | 625 | 642 |
Thok MIG: Ausstattung
Rahmen | Alloy frame 6061 T4 T6 |
Federgabel | RockShox Yari RC 150mm |
Antrieb | Shimano E8000 |
Akku | 504Wh |
Dämpfer | Rock Shox Deluxe R |
Laufräder | Novatec Kit |
Reifen VR | Maxxis DHR 2,8" |
Reifen HR | Maxxis Rekon 2,8" |
Schaltwerk | Sram NX |
Schalthebel | Sram NX |
Kurbel | Shimano E8000 34t |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Shimano Deore |
Bremsscheiben | Shimano Deore 203mm |
Sattelstütze | Thok Dropper Post |
Sattel | Thok Fit CroMo |
Vorbau | Thok CNC 35mm |
Lenker | Thok Oversize 780mm |
Mit etwas über 4.000 Euro kann man beim Thok MIG beinahe schon von einem günstigen E-MTB sprechen, zumal man beim Antrieb mit dem Shimano E8000 keineswegs gespart hat. Angesichts dieses wirklich attraktiven Einstiegspreises überrascht der Hersteller aus Bella Italia mit einer zwar nicht hochwertigen, aber durchweg soliden Ausstattung: Das Rock Shox Fahrwerk bestehend aus Yari RC in der Front und Deluxe R im Heck mag vor der Eisdiele keinen allzu großen Eindruck machen, überzeugt auf dem Trail jedoch mit einer konstanten und zuverlässigen Performance. Dasselbe gilt für die Sram NX Schaltung – die elf Gänge sind am E-MTB in den meisten Situationen ausreichend, Schaltpräzision und -verhalten stehen den teureren Gruppen oder den Eagle-Pendants in nichts nach. Ein feines Gespür für sinnvolle Einsparungen zeigt Thok auch beim Thema Bremsen: Die Shimano Deore mag zwar günstig sein und „nur“ zwei Kolben haben, doch dank 203mm Scheiben vorn und hinten ist die Performance auch während längerer Abfahrten ausreichend. Wenngleich die günstigen Shimano-Stopper natürlich nicht mit etablierten Gravity-Bremsen mithalten kann.
Die Novatec Laufräder sind mit 35mm breiten Felgen aufgebaut, auf denen die dicken Maxxis Plusreifen sicheren Halt finden und – falls gewünscht – auch im Handumdrehen auf tubeless umgerüstet sind. Auf der Variostütze prangt das hauseigenen Thok Logo. Die Remote für die Stütze sitzt ergonomisch nicht ganz perfekt, was aber wegen der Platzierung für die Antriebs-Bedieneinheit nicht besser zu lösen ist. Ohnehin ist das Cockpit super: Der schön gefräste Vorbau klemmt den 780mm breiten oversize-Alulenker und dürfte damit viel Kontrolle auf dem Trail vermitteln.
Thok MIG: Auf dem Trail
Wie es sich für ein Italo-Bike wie das Thok gehört haben wir das E-MTB auf den steinigen Trails rund um den Gardasee getestet. Bevor es auf die erste Ausfahrt ging, wollte jedoch natürlich die Akkubefestigung inspiziert werden; dieser wird wie bei der Konkurrenz eingeklickt und rastet hörbar ein. Zusätzlich sichert eine Art Strap aus festem Gummi den Energiespeicher. Gleichzeitig schützt dieser den Akku vor etwaig aufgewirbelten Steinen oder bei Aufsetzern z.B. an Stufen.
Wirft man sich mit dem MIG dann ins Gelände, scheint jedes Rädchen ins andere zu greifen: Der Antrieb von Shimano zeigt sich gewohnt dynamisch, gerade im Trail-Modus und hat ordentlich Power, auch wenn er etwas lauter ist als die Konkurrenz. Besonders die rundum gelungene Ergonomie fiel positiv auf. Das beginnt bei der ausgewogenen Rahmengeometrie, die den Fahrer in eine zentrale Sitzposition rückt und endet beim hervorragend auf das Einsatzgebiet abgestimmte Cockpit. Das Fahrwerk war für ein Rad in dieser Federwegsklasse genau richtig und vor allem mit wenigen Handgriffen passend abgestimmt. Ja, wer hier besonders detaillierte Einstellmöglichkeiten sucht, könnte enttäuscht werden, aber der überwiegende Teil der Fahrer dürfte vom „Set and Forget“ Ansatz der Yari und des Deluxe Dämpfers profitieren.
Hin und hergerissen sind wir bezüglich der verbauten Plusreifen. In Kombination mit dem fluffigen Fahrwerk, der gelungenen Geometrie und dem tiefen Schwerpunkt liegt das Thok so zwar wie ein Panzer auf rumpeligen Trails, wer jedoch auch gerne mal etwas spielt und vor allem in Kurven mit viel Druck auf dem Vorderrad unterwegs ist, könnte sich am manchmal schwammigen Fahrgefühl stören.