E-MTB / Test: Mit dem Corratec E-Power RS 160 Pro Team werfen wir einen Blick auf ein aktuelles E-MTB mit Bosch Smart System, 160 mm Federweg und Mullet-Laufradgrößen-Mix. Diese Eckdaten lassen zunächst ein reines Abfahrts-Gerät vermuten, doch in der Praxis zeigte sich das E-MTB überraschend vielseitig, wenngleich das natürlich nicht ganz ohne Kompromisse möglich ist.
Die Corratec E-Power RS 160 Reihe ist als E-MTB Allrounder aus dem Portfolio von Corratec längst nicht mehr wegzudenken und dürfte wohl zu den beliebtesten Bikes des Herstellers aus der Nähe von Rosenheim gehören. Für das Modelljahr 2022 bekommt das Erfolgsmodell nun ein umfassendes Upgrade, unter anderem mit dem Bosch Smart System und dem entsprechenden 750 Wh Akku. Hierfür musste der Rahmen komplett überarbeitet werden, unter anderem um den großen Akku im Unterrohr unterzubekommen. Im Zuge dieses Upgrades bekommt das Bike auch eine modernisierte Geometrie und einige wirklich gelungene Rahmenfeatures.
Corratec E-Power RS 160: Die technischen Daten
Bevor wir zu den kleineren und größeren Details des Bikes kommen, zunächst einige Worte zu den technischen Eckdaten: Das E-Power RS 160 kommt – wie der Name schon sagt – mit 160 mm Federweg vorn und hinten und bringt damit einige Reserven auch für’s anspruchsvolle Gelände mit. Der Rahmen besteht in allen Modellvarianten aus Aluminium und ist um einen Mullet-Laufradmix konstruiert. Das bedeutet, zu dem großen 29 Zoll Vorderrad gesellt sich ein kompakteres 650b Hinterrad, auf dem jedoch ein deutlich breiterer Reifen montiert ist. Damit kombiniert man das sehr gute Überrollverhalten der 29er mit der Agilität des 650b Standards und im Falle des Corratec E-MTBs kommt man zudem in den Genuss des besseren Grips breiterer Reifen am Heck. Unser Testrad in Rahmengröße M (42) bringt ohne Pedale 26,2 kg auf die Waage.
Geometrie
Die Geometrie des Corratec E-Power RS 160 ist modern, jedoch nicht zu progressiv um Gelegenheits- oder Tourenfahrer zu überfordern. Die Verbindung aus gemäßigt langem Hauptrahmen und dem Lenkwinkel von 65° versprechen viel Sicherheit im Gelände, ohne die Fahrer in eine aktive Fahrposition zu zwingen, wozu auch die eher hohe Front beiträgt. Mit den knapp 450 mm langen Kettenstreben kommt man noch ordentlich durch enge Kehren, darf sich gleichzeitig jedoch auch um ein ausgewogenes Fahverhalten an steilen Uphill-Rampen freuen.
Rahmengröße | 39 | 42 | 47 | 52 |
---|---|---|---|---|
Sitzrohrlänge (in mm) | 390 | 420 | 470 | 520 |
Oberrohrlänge (in mm) | 613 | 633 | 654 | 677 |
Steuerrohrlänge (in mm) | 145 | 145 | 150 | 160 |
Kettenstrebenlänge (in mm) | 449 | 449 | 449 | 449 |
Lenkwinkel (in °) | 65 | 65 | 65 | 65 |
Sitzrohrwinkel (in °) | 74 | 74 | 74 | 74 |
Radstand (in mm) | 1290 | 1290 | 1290 | 1290 |
Reach (in mm) | 425 | 445 | 465 | 485 |
Stack (in mm) | 655 | 655 | 660 | 669 |
Bosch Smart System mit schöner Akkuintegration
Beim Antrieb setzt Corratec wie schon beim Vorgängermodell voll auf Power aus dem Hause Bosch. Im aktuellen E-Power RS 160 kommt nun jedoch das im letzten Jahr vorgestellte Bosch Smart System zum Einsatz: Zum bekannten Bosch CX Motor mit maximal 85 Nm Drehmoment gesellt sich nun ein großer Bosch Powertube 750 Akku im Unterrohr, der die ohnehin schon sehr gute Reichweite weiter verbessert. In unseren Labormessungen kommen wir auf ca. 150 km in der Ebene und satte 2.200 hm, wenn es nach oben geht. Auch wenn solche Prüfstandsmessungen nur bedingt in die Praxis übertragen werden können, sind sie ein guter Richtwert und man darf wohl mit ausreichend Energiereserven auch für längere Touren rechnen.
In puncto Bedienung hat sich beim Smart System im Vergleich zum Vorgänger einiges getan. Das „Gehirn“ des Antriebs sitzt nun in der kompakten LED Remote, die auf ein Display verzichtet und die gewählte Unterstützungsstufe und den Ladestand des Akkus stattdessen per LED anzeigt. Ergänzt wird sie am E-Power RS 160 Pro Team durch das Kiox 300 Display, das stark an das ursprüngliche Kiox erinnert, insgesamt jedoch optisch etwas moderner daherkommt und auch ein wenig größer ist. Über die LED Remote lässt sich der Antrieb übrigens auch mit der neuen Bosch Flow App koppeln, über die man unter anderem auch diverse Antriebsparameter wie maximale Unterstützungsleistung auf die individuellen Bedürfnisse anpassen kann.
Alle Infos zum Bosch Smart System in unserem ausführlichen Test:
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Ein Highlight am Corratec E-Power RS 160 ist definitiv sein Unterrohr und die Integration des großen 750 Wh Akkus. Hier setzt man auf eine Weiterentwicklung der Shadow Edge Tube Technologie, die durch einen Aufbau des Unterrohrs in zwei Kammern besonders viel Steifigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht und einer ordentlichen Leitungs- und Zugverlegung gewährleisten soll. Viele Detaillösungen folgen dem neuen „Bionic Design“: Zu sehen ist dies beispielsweise an der Wabenstruktur der Akkuabdeckung und des Motorcovers. Beim Akku bietet die Struktur zusätzlich Griffigkeit beim Handling des 4,4 kg schweren Akkus, zudem soll so die Kühlung des gesamten Antriebs verbessert werden. Auch für die Akku-Entnahme hat man sich einiges einfallen lassen: Nach dem Entfernen eines Sicherungsbolzens mit Spezial-Schlüssel, lässt sich die Verriegelung über einen Schiebe-Mechanismus öffnen und der Akku entnehmen.
Die Ausstattung unseres Testbikes
Im Test hatten wir die Modellvariante Corratec E-Power RS 160 Pro Team, die eine UVP von 6.099 Euro besitzt. Die Ausstattung ist diesem Preis in der gehobenen Mittelklasse weitgehend angemessen, auch wenn man natürlich keine Edel-Komponenten erwarten darf. Die Fahrwerks-Komponenten kommen von RockShox mit dem Deluxe Select+ Dämpfer im Heck und der Yari an der Front. Letztere besitzt die etwas einfachere Motion Control Dämpfung, bei der als Einstellmöglichkeiten die Zugstufe und die Druckstufe (jedoch nur in drei Stufen) zu Verfügung stehen. Mit ihren 35 mm Standrohren fällt die Gabel für moderne Verhältnisse und ihren Federweg von 160 mm fast schon schmächtig aus, dürfte aber für die allermeisten Einsatzbereiche genügend Steifigkeit mitbringen.
Rahmen | Corratec E-Power RS 160 Boost |
Federgabel | RockShox Yari Motion Control RC |
Antrieb | Bosch Performance CX |
Akku | Bosch Powertube 750 |
Dämpfer | RockShox Deluxe Select+ |
Laufräder | ZZYZX Cross Attack |
Reifen VR | Michelin Wild Enduro TLR 29 |
Reifen HR | Michelin Wild Enduro TLR 650b+ |
Schaltwerk | Shimano XT |
Schalthebel | Shimano SLX |
Kurbel | ZZYZX E-Power Crank |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Shimano MT420 |
Bremsscheiben | Shimano 203 mm |
Sattelstütze | Kindshock 900i 150mm |
Sattel | Selle Italia Model X |
Vorbau | ZZYZX SL Alloy |
Lenker | ZZYZX SL Alloy |
Schaltung und Bremsen kommen alle aus dem Hause Shimano. Für die Gangwechsel zuständig ist ein 12-fach XT Schaltwerk, die übrigen Komponenten wie Schalthebel oder Kassette kommen aus der fast gleichwertigen SLX Reihe. Die MT420 Bremsen haben vier Kolben vorn und hinten und bieten in Verbindung mit den 203 mm großen Scheiben jede Menge Reserven für längere Abfahrten. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die langen Mehrfinger-Bremshebel, die man ansonsten eher von Touren- oder Trekkingrädern kennt.
Ungewöhnlich ist die Reifenwahl – denn hier findet man keine Pneus der „üblichen Verdächtigen“, sondern den Wild Enduro von Michelin. Die Franzosen sind schon seit einigen Jahren auch im Fahrrad- und MTB-Bereich vertreten und gerade der Wild Enduro erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Mit seinen hohen und groben Stollen erinnert er in puncto Ausrichtung etwa an eine Magic Mary von Schwalbe oder den Assegai aus dem Hause Maxxis – jede Menge Grip also. Interessant ist die Entscheidung, am Heck einen 2,8 Zoll breiten Reifen zu verbauen. Diese „Plus-Größe“ ist nach einem kurzen Boom vor einigen Jahren mittlerweile fast wieder vom Markt verschwunden, bietet jedoch einige Vorteile gegenüber den Standardbreiten wie das Plus an Grip und Dämpfung.
Das Corratec E-Power RS 160 Pro Team auf dem Trail
Für unseren Praxistest waren wir einige Tage auf den staubigen Trails im Vinschgau rund um Latsch unterwegs. In der Vorbereitung waren wir auch über die Produktseite des Bikes gestolpert, wo Corratec auf die „Allmountain-Geometrie“ verweist und das Bike als optimal für lange Touren beschreibt. Entsprechend war unsere Erwartungshaltung: Trotz viel Federweg stellten wir uns auf ein eher touriges als rassiges Fahrverhalten ein, vor allem auf dem Trail. Unsere Praxiseindrücke bestätigten das jedoch nur teilweise, denn selbst wenn man es ordentlich krachen lässt, macht das E-Power RS 160 noch ziemlich lange eine gute Figur. Erst wenn das Gelände wirklich grob und das Tempo sehr hoch wird, stößt das Bike an seine Grenzen. Vor allem das Fahrwerk kommt in diesem Szenario etwas ins Schwitzen – das gilt sowohl für die Gabel, aber auch für den linearen Hinterbau, der dann etwas zum Durchschlagen neigt. Auf der anderen Seite bietet das Fahrwerk bei gemäßigtem Tempo unglaublich großen Komfort und sehr viel Sicherheit, was auch durch die ausgesprochen griffigen Reifen unterstützt wird.
Das Bosch Smart System überzeugte uns wie bereits an zahlreiche anderen Testrädern erneut – Power, Dynamik, Dosierbarkeit und Bedienung – alles auf sehr hohem Niveau. Einzig die Geräuschkulisse des Motors könnte für den einen oder anderen etwas störend sein. Die sonstigen Komponenten boten kaum Anlass zur Kritik, einzig an die langen Mehrfinger-Bremshebel mussten sich unsere Tester zunächst etwas gewöhnen.