Test / E-MTB: Mit dem YT Decoy 29 Core 4 schauen wir uns ein spannendes E-MTB an, das zum Preis von knapp 7.000 Euro ein sehr gutes Gesamtpaket aus hochwertigem Carbonrahmen, tollen Komponenten und ausgewogenem Fahrverhalten mitbringt. Einen kleinen Haken hat die Sache jedoch.
Im März 2019 präsentierte YT mit dem Decoy das erste E-MTB im Portfolio und traf mit seiner sportlichen Ausrichtung, attraktivem Preis und frischer Optik den Nerv vieler Biker, die Elektro-Bikes bislang skeptisch gegenüberstanden. Etwas mehr als drei Jahre später hat sich viel getan, E-MTBs sind als Sportgeräte deutlich akzeptierter und beliebter – und natürlich hat sich auch die Technik weiterentwickelt. Das YT Decoy ist jedoch in seinen Grundzügen weitestgehend unverändert geblieben. Funktioniert das Konzept auch heute noch?
Die größten Veränderungen zum Ur-Decoy finden sich beim Antriebssystem – hier wurde vom ursprünglichen Shimano E8000 auf den neuen EP8 modernisiert – und bei der Laufradgröße. Anfangs war das Decoy ein Mullet-Bike mit Laufradgrößen-Mix, mittlerweile ist das Bike auch als reine 29″ Variante erhältlich. Diese kommt dann mit 145 mm bzw. 150 mm Federweg anstelle der 170 mm am „normalen“ Decoy.
YT Decoy 29: Carbonrahmen mit vielseitiger Geometrie
Der Hauptrahmen des Decoy 29 besteht in allen Ausstattungsvarianten aus Carbon – beim Hinterbau setzt der Direktversender je nach Modellvariante ebenfalls auf Kohlefaser oder auf Aluminium bei den etwas günstigeren Modellen. Linienführung und Optik sind YT-typisch modern und durchaus markant – das Decoy hebt sich wohltuend von der Masse ab und wirkt trotz seiner voluminösen Rohre nicht zu wuchtig. Lobenswert sind die großzügig aufgebrachten Rahmenschützer an allen relevanten Positionen, vom Unterrohr zur Kettenstrebe bis hin zur Innenseite der Sitzstrebe. Das schützt nicht nur den Rahmen vor Kratzern oder schlimmeren Schäden, sondern reduziert auch die Geräuschkulisse, vor allem im Bereich des Hinterbaus.
Bei der Geometrie geht man am Decoy 29 deutlich gemäßigtere Wege als beim sehr viel mehr in Richtung Abfahrt getrimmten Decoy. Nicht falsch verstehen: Das Decoy 29 ist ein wirklich modernes und sportives E-MTB für jede Menge Spaß und Action auf dem Trail. Aber: Es findet eine sehr gute Balance, so dass man als Fahrer nicht in eine zu aktive Fahrposition „gezwungen“ wird und selbst entspannte Touren vollkommen problemlos möglich sind. Auch die Uphill-Qualitäten profitieren davon. In Zahlen gesprochen heißt das, dass wir keinen allzu flachen Lenkwinkel haben und durchaus etwas längere Kettenstreben. Der Hauptrahmen ist schön lang, damit man bequem sein Körpergewicht verlagern kann. Über einen Flipchip an der Dämpferaufnahme lassen sich die Winkel und die Tretlagerhöhe etwas anpassen.
Rahmengröße | S | M | L | XL | XXL |
---|---|---|---|---|---|
Oberrohrlänge (in mm) | 569 | 591 | 608 | 635 | 658 |
Steuerrohrlänge (in mm) | 95 | 100 | 105 | 115 | 125 |
Kettenstrebenlänge (in mm) | 458 | 458 | 458 | 458 | 458 |
Lenkwinkel (in °) | 65,8 / 66,3 | 65,8 / 66,3 | 65,8 / 66,3 | 65,8 / 66,3 | 65,8 / 66,3 |
Sitzrohrwinkel (in °) | 77 / 77,5 | 77 / 77,5 | 77 / 77,5 | 77 / 77,5 | 77 / 77,5 |
BB Drop (in mm) | 38 / 32 | 38 / 32 | 38 / 32 | 38 / 32 | 38 / 32 |
Radstand (in mm) | 1197 | 1219 | 1241 | 1265 | 1289 |
Reach (in mm) | 423 | 443 | 463 | 483 | 503 |
Stack (in mm) | 614 | 619 | 623 | 632 | 641 |
Shimano EP8 mit 540 Wh Akku
Für den Antrieb entschied man sich im Hause YT für japanische Power: Der Shimano EP8 ist ein ausgesprochen leichter (2,6 kg), kräftiger (85 Nm) und dynamischer Motor, der sich seit seiner Einführung 2020 sehr großer Beliebtheit erfreut, insbesondere bei eher sportiven E-MTBs. In unserem ausführlichen Antriebs-Vergleichstest konnte er seine Qualitäten unter Beweis stellen und vor allem in puncto Effizienz wusste er zu überzeugen. Bei der maximalen Unterstützungspower liegt er nicht ganz auf dem Niveau von Bosch oder Brose, ist jedoch bei weitem kein schwacher Antrieb. Um die größte Unterstützung aus dem kompakten Aggregat herauszukitzeln, empfiehlt es sich, eine etwas höhere Kadenz zu treten (>80).
Mit Strom versorgt wird der Motor von einem 540 Wh Akku im Unterrohr. Für heutige Verhältnisse kommt das Decoy 29 also mit einem eher kleinen Akku mit wenig Kapazität. Das war auch schon bei der Markteinführung so, auch wenn der Abstand zu anderen Rädern in dieser Klasse nicht so groß war wie es heute der Fall ist. Aber es zeigt, dass YT sich bewusst für einen eher kleinen Akku entschieden hat, vor allem aus zwei Gründen: Einerseits bedeutet mehr Kapazität immer auch mehr Zellen, womit nicht nur die Abmessungen, sondern vor allem auch das Gewicht wachsen.
Zum ausführlichen Test des Shimano EP8
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So bringt der Akku des YT inklusive seines Covers knapp 3,6 kg auf die Waage und ist damit fast ein Kilogramm leichter als beispielsweise ein Bosch Powertube 750. Auch die Abmessungen sind schön kompakt, was nicht nur die Entnahme erleichtert, die über zwei Bolzen gelöst ist, sondern beispielsweise auch das Mitführen eines zweiten Akkus deutlich erleichtert. Dennoch: Am Akku merkt man der Decoy-Plattform wohl am ehesten ihr „Alter“ an – beim Nachfolger rechnen wir deshalb entweder mit mehr Kapazität oder einem noch leichteren Konzept. Aber auch der 540 Wh Akku dürfte für die meisten Fahrer in der Praxis eine ausreichende Reichweite mitbringen – auf Basis unserer auf dem Prüfstand ermittelten Verbrauchswerte des EP8 kann man mit ca. 110 km Reichweite in der Ebene und ca. 1.500 hm am Berg rechnen, jeweils in der höchsten Unterstützungsstufe.
Die Bedienung des Antriebs erfolgt über die minimalistische Shimano-Remote am Lenker, die intuitiv zu bedienen ist und sehr gut an ein modernes E-MTB passt. Beim Display hat YT vorsichtig den Rotstift angesetzt und verbaut die etwas einfachere, einfarbige Variante. Kein großer Makel, aber dennoch schade, da die Ablesbarkeit während der Fahrt mit dem Farbdisplay doch einen Ticken besser ist.
Tolle Ausstattung ohne echte Schwächen
Von der eben erwähnten kleinen Sparmaßnahme beim Display abgesehen gibt’s an unserem Testbike in puncto Ausstattung wahrlich nichts auszusetzen. Das YT Decoy 29 Core 4 bringt durch die Bank hochwertige und dem Preis von knapp 7.000 Euro angemessene Komponenten mit. Diese tragen in Verbindung mit der leichten Basis auch zum sehr guten Gesamtgewicht von 22,4 kg in Größe XL ohne Pedale und tubeless bei.
Beim Fahrwerk von Fox gibt’s die Creme de la Creme aus Fox 36 Grip2 vorn und dem DPS Dämpfer im Heck. Letzterer mag ohne Ausgleichsbehälter etwas schmächtig wirken, harmoniert aber sehr gut mit dem progressiven Hinterbau und kam während unseres Tests auch bei längeren Abfahrten nie merklich ins Schwitzen.
Die 12-fach Schaltung aus Shimanos XT Reihe hat sich mittlerweile etabliert und wird ihrem makellosen Ruf gerecht; große Bandbreite, tolle Performance und gelungene Ergonomie. Die Sram Code RSC Bremsen mit 200 mm großen Centerline Scheiben bringen dann auch entsprechende Reserven für die Abfahrt mit und erledigten ihre Aufgabe sehr zuverlässig. Ein Ausstattungshighlight sind definitiv die Crankbrothers Synthesis Alu-Laufräder. Auch wenn andere Hersteller in dieser Preisklasse manchmal schon auf Carbonfelgen setzen, finden wir die Entscheidung von YT goldrichtig: Die Alufelgen sind ausgesprochen robust, breit und durch die besondere Einspeichung auch schön komfortabel. Toll sind außerdem die Naben von US-Hersteller Industry 9 – leicht, langlebig und mit einem unverkennbaren Freilauf. Auf den Felgen sitzen Maxxis Pneus und zwar die beliebte Kombination aus DHRII und DHF. Bei den Karkassen spart YT ein wenig Gewicht, montiert vorn den Reifen als Exo-Variante, hinten immerhin die etwas pannensicherere Exo+.
Auch in der „B-Note“ gibt es im Spec keine nennenswerten Abzüge: Die YT Postman Stütze hat in unserer Größe mit 170 mm genügend Hub, der Hebel ist gelungen. Das Renthal Cockpit gefällt und von SDG gibt es hochwertige Kontaktpunkte bei Sattel und Griffen.
Rahmen | YT Decoy 29 Vollcarbon |
Federgabel | Fox 36 Factory Grip2 |
Antrieb | Shimano EP8 |
Akku | 540 Wh |
Dämpfer | Fox Float DPS Factory |
Laufräder | Crankbrothers Synthesis Alloy E-MTB i9 |
Reifen VR | Maxxis Minion DHF Exo 3C MaxxTerra |
Reifen HR | Maxxis Minion DHRII Exo+ 3C MaxxTerra |
Schaltwerk | Shimano XT M8100 |
Schalthebel | Shimano XT M8100 |
Kurbel | Shimano XT |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Code RSC |
Bremsscheiben | Sram Centerline 200mm |
Sattelstütze | YT Postman 170mm (XL) |
Sattel | SDG Bel Air 3.0 |
Vorbau | Renthal Apex 35 |
Lenker | Renthal Fatbar 35 |
Sportlich aber ausgewogen: Das YT Decoy 29 auf dem Trail
Unsere Erwartungshaltung an das YT Decoy 29 war im Vorfeld durchaus von unserer Erfahrung mit YT Bikes und dem Ruf der Marke geprägt. Potent, sportlich und vor allem auf den Trail-Spaß ausgelegt – so hatten wir das Decoy 29 erwartet. Auch wenn wir damit keineswegs falsch lagen, wurden wir von der Vielseitigkeit des Decoy 29 durchaus überrascht. Denn seine sehr gut ausbalancierte Geometrie sorgt für eine angenehme Sitzposition und die ausgewogenen Fahreigenschaften kommen aktiven Trail-Enthusiasten ebenso entgegen wie weniger versierten Mountainbikern. Beim Hinterbau kommen im Gelände dann aber ganz klar die YT-Gene durch: Ziemlich progressiv bietet er deutlich größere Reserven als wir es von den „nur“ 145 mm erwartet hätten. Auch bei Sprüngen oder Drops hatten wir keine Probleme mit Durchschlägen – top! Andererseits heißt das aber auch, wer auf der Suche nach einem komfortablen Sofa-Hinterbau ist, dürfte beim Decoy 29 enttäuscht werden.
Die verbauten Komponenten erledigten ihren Job absolut zuverlässig und boten im Rahmen unseres Tests keinen Anlass zur Kritik. Trotz der etwas schmächtigen Karkasse der Maxxis Reifen hatten wir damit keine Probleme, die Performance des Fox-Fahrwerks war gewohnt exzellent, ebenso die Vorstellung der Schaltung.
Ein Sonderlob verdient sich YT in puncto Lautstärke – zumindest großteils. Züge, Leitungen, Kabel und Kette sind so verlegt bzw. der Rahmen an den entsprechenden Stellen so gut gepolstert und geschützt, dass das Decoy 29 eines der leisesten E-MTBs auf dem Markt sein könnte. Wäre da nicht der Shimano EP8: Das mittlerweile berüchtigte Motor-Klappern ist auch hier vorhanden, wenngleich es an unserem Testbike deutlich weniger stark ausgeprägt war als an den meisten anderen EP8 E-MTBs, die wir über die Jahre im Test hatten.