Radsport: Der Giro d’Italia hat auf der 16. Etappe einen epischen Tag erlebt. Im vergangenen Jahr musste der 139 Kilometer lange Tagesabschnitt zwischen Ponte di Legno und dem Ziel im Martelltal aufgrund des Wetters ausfallen. Auch in diesem Jahr war das Wetter ein Einflussfaktor.
Ungeachtet dessen wurde die Königsetappe ihrem Namen gerecht – und der neue König heißt Nairo Quintana (Movistar). Der kleine Kolumbianer lag vor dem Gavia, dem ersten Berg des Tages noch 3:40 Minuten hinter dem bis dato führenden Rigoberto Uran (Omega Pharma-QuickStep), nahm diesem jedoch bis ins Ziel 4:12 Minuten ab.
Der erste namhafte Ausreißer des Tages war jedoch ein anderer. Der Italiener Franco Pellizotti (Androni Giocattoli). Zusammen mit Dario Cataldo (Sky) und einigen weiteren Fahrern machte er sich im Regen auf, den Gavia zu bezwingen. Dies gelang. Mit einem Vorsprung von etwa drei Minuten ging die Gruppe danach in den Stelvio, wo mit der Cima Coppi der höchste Punkt dieses Giro passiert wurde. Den Preis sicherte sich Cataldo, der als Solist die Abfahrt unter die Reifen nahm.
Hatten die Favoriten bis hierher eine Einheit gebildet, nutzte Quintana nun seine Chance und setzte sich in der Kälte des Stilfser Jochs von Uran ab. Auf der Abfahrt folgten ihm lediglich Ryder Hesjedal (Garmin-Sharp), Pierre Rolland (Europcar) und Matteo Rabottini (Neri Sottoli).
Diese Aktion sollte später für einigen Ärger sorgen. Verantwortlich dafür waren indes die Organisatoren. Zwar ließen sie Motorräder mit Roter Fahne vor den Fahrern fahren, vermieden gegenüber den Sportlichen Leitern das Wort Neutralisation. Die Interpretationen der Situation waren danach fatal.
Mit einem Vorsprung von 1:30 Minuten auf die Gruppe um Uran gingen Quintana, Hesjedal und Rolland in den knapp 25 Kilometer langen Schlussanstieg. Hier verlor Rabottini schnell den Anschluss und auch Cataldo konnte, nachdem das Trio zu ihm aufgefahren war, das Tempo nicht mitgehen.
Während Quintana den Großteil der Arbeit an der Spitze leistete, versuchten Hesjedal und Rolland verbittert am Hinterrad des Tour-Zweiten des vergangenen Jahres zu bleiben. Bis zur Hälfte des Anstieges war der Vorsprung auf zwei Minuten angewachsen. Als die Steigung jedoch steiler wurde, geriet die Gruppe um Uran immer mehr in die Bredouille.
Fünf Kilometer vor dem Ziel musste Rolland schließlich aufstecken. Bis ins Ziel verlor er auf Quintana als Tagesdritter 1:13 Minuten. So blieb Hesjedal der einzige Verbündete des Kolumbianers. Bis zum letzten Kilometer wechselten sich beide kontinuierlich in der Führung ab, bevor Quintana nochmals das Tempo erhöhte. Im Finale hatte er schließlich acht Sekunden auf den ebenfalls beeindruckend starken Giro-Sieger von 2012 herausgefahren. Viel wichtiger war jedoch, dass Uran auf den letzten Kilometern Schwäche zeigte. Zwar konnte er Cadel Evans (BMC) distanzieren. Als Wilco Keldermann zwei Kilometer vor dem Ziel attackierte, musste er reißen lassen.
Der junge Niederländer zeigte danach, welches Potential in ihm schlummert. Mit einem Rückstand von 3:32 Minuten auf Quintana überquerte er schließlich knapp vor Domenico Pozzovivo (Ag2R La Mondiale) und Fabio Aru (Astana) das Ziel. Uran kam erst vierzig Sekunden darauf ins Ziel.
Nairo Quintana hat mit seiner Attacke die Gesamtwertung auf den Kopf gestellt und geht morgen als neuer Führender in die 17. Etappe.
Dennoch muss, bei allem Eindruck, den die Bilder und das Rennen lieferten, die Frage an die Organisatoren erlaubt sein, ob es notwendig ist, Sportler bei derartigen Bedingungen über Pässe zu schicken. Keine freie Sicht auf die Fahrbahn in den Abfahrten zu haben, ist schlichtweg gefährlich. Verantwortung ist etwas anderes. Dass es Konfusion über eine mögliche Neutralisierung von Teilen der Strecke gab, braucht da nicht zu verwundern.
Ergebnis – Giro d’Italia
1. Nairo Quintana (Movistar) 4:42:35
2. Ryder Hesjedal (Garmin Sharp) 0:00:08
3. Pierre Rolland (Team Europcar) 0:01:13
4. Wilco Kelderman (Belkin) 0:03:32
5. Domenico Pozzovivo (Ag2R La Mondiale) 0:03:37
6. Fabio Aru (Astana) 0:03:40
7. Rafal Majka (Tinkoff-Saxo) 0:04:08
8. Sebastian Henao (Sky) 0:04:11
9. Rigoberto Uran (Omega Pharma-QuickStep) 0:04:11
10. Cadel Evans (BMC) 0:04:48
Gesamtwertung – Giro d’Italia
1. Nairo Quintana (Movistar) 68:11:44
2. Rigoberto Uran (Omega Pharma-QuickStep) 0:01:41
3. Cadel Evans (BMC) 0:03:21
4. Pierre Rolland (Team Europcar) 0:03:26
5. Rafal Majka (Tinkoff-Saxo) 0:03:28
6. Fabio Aru (Astana) 0:03:34
7. Domenico Pozzovivo (Ag2R La Mondiale) 0:03:49
8. Wilco Kelderman (Belkin) 0:04:06
9. Ryder Hesjedal (Garmin Sharp) 0:04:16
10. Robert Kiserlovski (Trek) 0:08:02