Spektrum: Gestern trafen in Luxemburg die EU-Verkehrsminister zusammen, um über die Bedeutung und die Zukunft des Fahrrads für und in der EU zu sprechen. Am Abend unterzeichneten die Teilnehmer eine Declaration for Cycling, die den Ausbau des Radverkehrs in den EU-Mitgliedsstaaten vorantreiben soll.
Lange hatte die European Cyclists Federation und die einzelnen Landesverbände wie der deutsche ADFC dafür gekämpft, dass dem Radverkehr auch auf EU-Ebene größere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Damit soll auch die Infrastruktur innerhalb der Mitgliedsstaaten von der Europäischen Union gefördert werden – vor allem finanziell. Nun scheint ein erster Schritt in diese Richtung erfolgt zu sein: Gestern Abend um 18 Uhr unterzeichneten die EU-Verkehrsminister in Luxemburg die Declaration for Cycling, die eben jenen Zweck erfüllen soll. Wir haben uns den Inhalt genauer angesehen.
In der Präambel des Dokuments werden vier Punkte bzw. Gründe aufgezählt, weshalb es aus Sicht der EU von großer Bedeutung ist, den Radverkehr zu fördern:
- Innovation: Das Fahrrad und die Fahrradindustrie sind ein wichtiger Faktor für die europäische Wirtschaft – der Innovationsgeist wird auch zukünftig Arbeitsplätze schaffen und sichern.
- Umwelt: Fahrräder ist das umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel überhaupt: Betrachtet man Produktion, Wartung und Emissionen als Gesamtpaket, ist der ökologische Rucksack beim Fahrrad sehr viel leichter als bei allen anderen Fortbewegungsmitteln.
- Gesundheit: Kinder die zur Schule radeln können sich nachweislich besser konzentrieren, Arbeitnehmer sind produktiver. Laut der WHO könnten außerdem 100.000 Todesfälle jährlich verhindert werden, würde jeder nur 15 Minuten täglich auf einem Fahrrad verbringen.
- Finanzielle Vorteile: Erhöhter Fahrradverkehr hilft nicht nur der Industrie, sondern fördert auch das individuelle Kaufverhalten und erhöht die Energieeffizienz, was wiederum eine finanzielle Entlasung für viele Sektoren darstellt.
Der eigentliche Aktionsplan für die Declaration for Cycling umfasst insgesamt sieben Punkte auf drei Ebenen: Es wird nicht nur der EU-weite Rahmen betrachtet, sondern ebenso werden die Mitgliedsstaaten in die Pflicht genommen und regionale Projekte sollen ebenfalls Unterstützung erfahren.
Europäischer Rahmen
- Den Radverkehr in überregionale Verkehrskonzepte einbeziehen und die Bedeutung erkennen, dass infrastrukturelle Veränderungen ebenso nötig sind, wie ein Umdenken in der Gesellschaft und Politik
- Konzeption eines EU-weiten Strategiepapiers zum Thema Fahrrad. Hier sollen zum einen die Ziele und Vorzüge für die Mitgliedsstaaten definiert werden, zum anderen muss analysiert werden, wie der Radverkehr konkret gefördert werden könnte. Außerdem soll das Thema in Finanzierungskonzepte der EU miteinbezogen werden.
- Es soll in der Europäischen Union eine zentrale Anlaufstelle zum Thema Fahrrad geschaffen werden, die nicht nur diesbezügliche Fragen beantwortet, sondern auch die Kommunikation zwischen den Mitgliedsstaaten koordiniert und die Umsetzung beschlossener Konzepte überwacht.
Nationaler Rahmen
- Schaffen einer Anlaufstelle auf nationaler Ebene – analog zur Einrichtung einer derartigen Institution bei der EU. Auch hier soll die Kommunikation innerhalb des Landes zur Thematik Fahrrad koordiniert werden.
- Die Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass nationale Verkehrsprojekte die Bedeutung des Radverkehrs miteinbeziehen, auf mögliche Anknüpfungspunkte kontrollieren und diese gegebenenfalls umsetzen.
Regionaler Rahmen
- Regionale Verkehrsprojekte sollen sich dem Thema Fahrrad nicht weiterhin verschließen, wie es momentan leider oft noch der Fall ist.
- Auf lokaler Ebene soll von den zuvor angesprochenen und geschaffenen Anlaufstellen auf nationaler und europäischer Ebene Gebrauch gemacht werden, um einen regen Austausch sicherzustellen.
Im Vorfeld äußerte sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bereits zu der Vereinbarung – und zeigte sich skeptisch, auch wenn es natürlich ein Schritt in die richtige Richtung ist. „Gut, dass es diese Erklärung gibt, denn zum ersten Mal verständigen sich die EU-Verkehrsminister auf ein Minimum an Radverkehrsförderung. Für Deutschland reicht dieses Minimum aber nicht aus. Wir rangieren als Fahrradnation im europäischen Vergleich nur im oberen Mittelfeld. Mit einem Radanteil von gerade mal 10 Prozent am Gesamtverkehr liegen wir deutlich hinter den Radnationen Niederlande und Dänemark, aber auch hinter Ungarn und Luxemburg. Deutschland braucht kräftige Investitionen in Radschnellwege, durchgängige Radwegenetze und Millionen von hochwertigen Abstellanlagen. Wenn die Kommunen dafür keine systematische Unterstützung von EU und Bund erhalten, dann spielt die Fahrrad-Champions-League weiter ohne uns,“ sagt ADFC-Geschäftsführer Burkhard Stork.
Es ist dennoch zweifellos wichtig, dass die Bedeutung des Fahrrads als Transportmittel nun endlich auch von der EU wahrgenommen wird – die Declaration for Cycling darf hier jedoch nur der erste Schritt für eine Förderung sein – wir hoffen jedenfalls, dass das Thema auch weiterhin, nach der Unterzeichnung, im Gespräch bleibt.
Declaration for Cycling im Wortlaut (Englisch)