Test Specialized Phenom Pro mit Mirror: Als Unisex-Allrounder soll der neue 3D-Sattel für so ziemlich jedes sportliche Rad geeignet sein. Er vereint hohem Komfort mit einer Formgebung, die man mögen muss.
Beim US-Fahrradhersteller haben ergonomisch optimierte Komponenten eine lange Geschichte. Bereits 1997 begann die Arbeit an druckmindernden Sätteln mit dem charakteristischen „Cutout“ – jener Aussparung in Längsrichtung, die inzwischen bei den Sätteln zahlreicher Anbieter druckmindernd und damit schmerzlindernd wirkt. Um die Jahrtausendwende stellte Specialized Radschuhe mit speziell geformten Innensohlen vor; es folgen Helme, Handschuhe mit besonderen Polstern und – als Erweiterung in Sachen Hardware sozusagen – stoßdämpfende Rahmen und Komponenten mit den legendären Zertz-Einsätzen.
Neue Möglichkeiten dank 3D-Druck
Bis heute bietet Specialized ein großes Sortiment von Sätteln an, vom leichten Highend-Modell bis hin zu bequemen, breiten Modellen fürs Alltagsrad. Und wie andere Anbieter auch, haben sich die Amerikaner in den letzten Jahren eine neue Technologie zunutze gemacht – den 3D-Druck. Durch das genau definierte Aushärten von flüssigem Kunstharz lassen sich dreidimensionale Strukturen herstellen, die aus aus feinen Strukturen wie flächigen Partien bestehen. So entsteht eine Satteldecke, deren Härte bzw. Nachgiebigkeit genau festgelegt werden kann.
Der Specialized Phenom Pro mit Mirror ist der neueste Sattel des Anbieters, der mit der hier „Mirror“ genannten 3D-Technologie aufwartet. In der Produkthierarchie steht er an zweiter Stelle – hinter dem „S Works“-Modell und vor den Varianten Expert und Comp (wobei es einen Phenom Expert nicht gibt). Mit 320 Euro ist er preislich in der Oberklasse und schon recht dicht am S-Works (390 Euro) dran. Kein Wunder, verfügen doch beide Sättel über das identische 3D-Polster; beim Topmodell gibt es zusätzliche Carbongestell und -schale, während der Phenom Pro mit carbonfaserverstärkten Nylonschale und einem Gestell aus Titanrohren ausgestattet ist. Letzteres ist praktisch, da der Sattel damit an jede Sattelstütze passt. Der Phenom Pro wiegt etwa 40 Gramm mehr als der S-Works; mit 258 Gramm in der 143 mm breiten Version ist aber immer noch recht leicht. Ohnehin ist es kaum möglich, einen 3D-Sattel unter 200 Gramm zu bringen.
Ein Unisex-Sattel für alle Disziplinen
Ein interessanter Aspekt dieses Sattels ist, dass er keiner bestimmten Disziplin zugeordnet ist. Vom Downhill-Mountainbike bis zur Rennmaschine ist er universell verwendbar, außerdem wendet er sich als Unisex-Modell an Frauen wie an Männer. Nur die richtige Breite muss man finden, wobei der 143-mm-Sattel nicht übermäßig schmal ausfällt und das 155 mm breite Modell auch nicht ausladend erscheint.
Über 20.000 Streben mit rund 8.700 Knotenpunkten formen laut Specialized die Polsterung des Phenom Pro. Zu sehen bekommt man nur einen kleinen Teil davon, zumal der Sattel über eine nahezu geschlossene Oberfläche verfügt. Die typische 3D-Struktur ist eigentlich nur dort zu sehen, wo konventionelle Sättel komplett offen sind – in der breiten Längsrinne, die sich zur Sattelnase hin verjüngt. Hinten scheint durch die Sechsecke des Polsters das Specialized-Firmenlogo durch.
Kann der Specialized Phenom Pro mit Mirror das 3D-Prinzip in überlegenen Komfort umsetzen? Im Prinzip schon. Was schon auf den ersten Kilometern auffällt und auch nach Stunden auf dem Rad viel Freude macht: Dieser Sattel wirkt merklich stoß- und vibrationsdämpfend, wie man es von konventionellen Ausführungen nicht kennt. Während die Hände wie bisher durchgeschüttelt werden, herrscht am Hintern himmlische Ruhe. Damit einher geht allerdings auch eine gewisse laterale Nachgiebigkeit: Lenkimpulse mit dem Körper werden nicht ganz so direkt übertragen wie mit einem Standardsattel mit fester Polsterung.
Starke Stoß- und Vibrationsdämpfung
Sehr angenehm ist die breite Aussparung, die immer noch ein gewisses Maß an Halt bietet. Die Kanten der geschlossenen Oberfläche fallen in diesem Bereich leicht nach innen ab und sind gerundet, sodass rund um die Aussparung keine Druckspitzen entstehen können.
Ein etwas anderes Bild zeigt die recht lange Sattelnase, die über einen schmal zulaufenden, tiefen Kanal verfügt. Diese Form ist definitiv Geschmackssache: Während eine Testerin prima mit der flachen Kontur klarkam, empfand ein Tester die Rinne in Kombination mit der eher festen Polsterung der Nase als störend. Hier zeigt sich, was Velomotion schon früher zu 3D-Sätteln festgestellt hat: Die Grundform des Sattels muss stimmen, damit er sich rundum komfortabel anfühlt.
Starke Stoßdämpfung, deutlich ausgeprägte Aussparung und flache Sattelnase mit Mittelrinne – wer sich von diesen Merkmalen angesprochen fühlt und Erfahrungswerte hat, könnte am Specialized Phenom Pro mit Mirror Gefallen finden. Davon, sich den 3D-Sattel einfach ins Blaue hinein zu kaufen, ist angesichts des hohen Preises eher abzuraten.