Test: Der spanische Hersteller BH schickt mit dem iLynx+ NX ein neues E-Mountainbike ins Rennen, das die Brücke zwischen langer Reichweite und potentem Trail- und Enduro-Einsatz schlagen soll. Ausgestattet mit dem bewährten Bosch Performance Line CX Motor, einem riesigen 800-Wh-Akku und Split-Pivot-Hinterbau, sind die Eckdaten vielversprechend. Wir haben BH iLynx+ NX in der Enduro-Version genau unter die Lupe genommen, um herauszufinden, ob die Rechnung auf dem Trail aufgeht und für wen sich das neue E-MTB aus Spanien eignet.
Das BH iLynx+ NX im Detail
Das iLynx+ NX ist nicht nur ein einzelnes Fahrrad, sondern eine ganze Plattform, die BH in zwei Hauptkategorien unterteilt: Enduro und Trail. Die Enduro-Modelle bieten satte 160 mm Federweg am Heck und 170 mm an der Front, während sich die Trail-Varianten mit 140 mm hinten und 150 mm vorne begnügen. Diese klare Trennung zeigt bereits, dass BH unterschiedliche Fahrertypen ansprechen möchte – vom Tourenfahrer bis zum ambitionierten Enduro-Piloten. Man folgt hier der Philosophie, die sich durch fast das gesamte MTB und E-MTB Portfolio der Spanier zieht.
Rahmen und Konstruktion
BH bietet das iLynx+ NX in verschiedenen Rahmenkonfigurationen an. Die Topmodelle setzen auf einen Vollcarbonrahmen. Dabei kommt ein spezielles „Ballistic Carbon Layup“ zum Einsatz, das eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Schläge und Stöße verspricht. Etwas preisgünstigere Carbon-Modelle kombinieren einen Carbon-Hauptrahmen mit einem Hinterbau aus Aluminium. Abgerundet wird das Portfolio durch reine Aluminium-Versionen, die ebenfalls auf dreifach konifizierte Rohre setzen, um eine Balance aus Leichtigkeit und Robustheit zu gewährleisten. Schön, dass BH für das neue E-MTB direkt zum Start die Alu-Modelle anbietet – in der Vergangenheit kamen diese erst Monate nach den Carbon-Varianten auf den Markt.
Ein zentrales Element des Rahmens ist das „Split Pivot“-Hinterbausystem. Dieses System ist darauf ausgelegt, die Einflüsse von Antrieb, Bremsen und Federung voneinander zu entkoppeln. Laut BH soll ein Anti-Squat-Wert von über 100 % dafür sorgen, dass die Antriebsenergie effizient in Vortrieb umgesetzt wird, ohne dass das Fahrwerk beim Pedalieren wippt. Gleichzeitig soll das System beim Bremsen voll aktiv bleiben und eine hohe Progressivität für große Schläge bieten.
Weitere technische Details am Rahmen zeugen von einem modernen Ansatz. So kommt der Super Boost-Standard mit 157×12 mm Einbaubreite am Heck zum Einsatz. Dies ermöglicht steifere Laufräder durch einen besseren Speichenwinkel und schafft in Kombination mit den kurzen 440-mm-Kettenstreben Platz für breite Reifen bis 2,5 Zoll. Die Kehrseite dieses eher exotischen Maßes ist eine schlechtere Verfügbarkeit von kompatiblen Naben bzw. Hinterrädern. Ein Acros BlockLock-System schützt das Unterrohr vor Schlägen durch die Gabelkrone, indem es den Lenkeinschlag auf 120 Grad begrenzt. Die Zugführung ist bei allen Modellen komplett intern gelöst. Während der Hersteller zwar von einem einfachen Zugang für die Wartung spricht, dürfte vor allem die Verlegung durch den Steuersatz Schraubern ein Dorn im Auge sein.
Motor und Akku: Das Herzstück des E-MTBs
Als Antriebseinheit dient der bewährte Bosch Performance Line CX Motor. Mit einem Gewicht von rund 2,8 kg und neuerdings jetzt 100 Nm maximalem Drehmoment zählt er zu den stärksten Motoren auf dem Markt. Ein Set aus Drehmoment-, Trittfrequenz- und Beschleunigungssensoren sorgt für eine intuitive und natürliche Kraftentfaltung.
Die Energieversorgung übernimmt der große 800 Wh Akku im Unterrohr, der sich jedoch nicht entnehmen lässt. Das sorgt zwar für eine schlanke Optik und einen steifen Rahmen, schränkt die Flexibilität im Alltag jedoch ein. Ein schnelles Laden des Akkus in der Wohnung, während das Rad im Keller steht, ist damit ebenso wenig möglich wie der Tausch gegen einen Zweitakku auf einer langen Tour. Jedoch ist auch nur so das durchaus beeindruckende Gewicht unseres Testbikes von 22,5 kg (o. Pedale, Gr. L) möglich.
Je nach Modellvariante kommen unterschiedliche Displays zum Einsatz. Die höherpreisigen Modelle sind mit dem Bosch Kiox 400C Display ausgestattet, das elegant auf dem Oberrohr integriert ist und über eine Mini-Remote am Lenker bedient wird. Günstigere Modelle setzen auf das kompaktere Bosch Purion 200.
Geometrie und Ausstattungsvarianten
Die Geometrie des iLynx+ NX ist modern, aber nicht extrem. BH gibt an, sich an der hauseigenen, unmotorisierten Lynx-Reihe orientiert zu haben. Die bereits erwähnten kurzen Kettenstreben sollen für ein agiles und verspieltes Fahrverhalten sorgen. Unser Testmodell in der Enduro-Konfiguration weist einen eher kompakten Hauptrahmen und eine für heutige Verhältnisse recht tiefe Front auf, was eine gewisse Eingewöhnungszeit erfordern kann.
Detaillierte Modell- und Ausstattungsvarianten
Die BH iLynx+ NX-Reihe ist breit aufgestellt und gliedert sich in die Kategorien Enduro und Trail, die jeweils Modelle mit Carbon- und Aluminiumrahmen umfassen.
An der Spitze der Enduro-Palette steht das iLynx+ NX Enduro Carbon 9.8 für 9.499,90 Euro. Es verfügt über einen 160 mm Vollcarbon-Rahmen, ein hochwertiges Fox Factory Fahrwerk mit einer 38 Float Gabel und einem DHX2 Stahlfederdämpfer sowie eine elektronische Shimano XT Di2 12-fach Schaltung. Darunter rangiert das Modell 9.7 für 8.199,90 Euro, das ebenfalls einen Vollcarbon-Rahmen und eine Fox 38 Gabel nutzt, jedoch in der Performance-Ausführung und mit einem Float X Luftdämpfer Das Modell 9.6 für 6.999,90 Euro kombiniert einen Carbon-Hauptrahmen mit einem Hinterbau aus Aluminium und setzt auf eine mechanische Shimano XT/Deore-Schaltung sowie MT520-Bremsen. Den Einstieg in die Enduro-Welt bilden die reinen Aluminium-Modelle 9.1 (6.099,90 Euro) mit Fox Rhythm Fahrwerk und 9.0 (5.499,90 Euro) mit RockShox Psylo Gabel und Deluxe Dämpfer.
Die Trail-Linie folgt einer ähnlichen Logik.Das Topmodell iLynx+ NX Trail Carbon 8.8 für 8.999,90 Euro kommt mit einem 140 mm Vollcarbon-Rahmen, einer Fox 36 Factory Gabel und XT Di2 Schaltung. Die Modelle 8.7 (8.199,90 Euro) und 8.6 (6.999,90 Euro) spiegeln die Abstufungen der Enduro-Linie mit Performance-Fahrwerken und einem Mix aus Carbon- und Alurahmen wider. Die preiswerteren Trail-Modelle mit Aluminiumrahmen sind das Modell 8.0 (5.499,90 Euro) mit RockShox Recon Gabel und das Einstiegsmodell 7.9 für 4.799,90 Euro. Letzteres ist am einfachsten ausgestattet und verfügt über eine SR Suntour XCR34 Gabel, eine Shimano Deore 10-fach-Schaltung und Shimano MT201 Bremsen mit 180-mm-Scheiben. Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich auch beim Display: Während die Carbon-Modelle und höherwertigen Varianten mit dem Bosch Kiox 400C ausgestattet sind, setzen die günstigeren Aluminium-Modelle auf das einfachere Bosch Purion 200.
Das BH iLynx+ NX auf dem Trail: Der Praxistest
Unser Testbike entsprach größtenteils dem Enduro-Topmodell iLynx+ NX Enduro Carbon 9.8. Ohne Pedale blieb die Waage hier in Größe L bei wirklich guten 22,6 kg stehen – trotz 38er Gabel, Coil-Dämpfer und 800 Wh Akku. Stark. Für Freude bei der Ausstattung sorgt zudem die neue, elektronische Shimano XT Di2 Schaltung. Als Bremsen kommen die „alten“ XT 4-Kolben Stopper zum Einsatz, was uns jedoch nicht wirklich stört. Das Fox Factory Fahrwerk mit DHX2 Coildämpfer im Heck und 38er Gabel vorn verspricht ordentliche Nehmerqualitäten – auch wenn uns die Fit4 Kartusche an der Gabel etwas verwundert.
Für noch größere Fragezeichen sorgten jedoch Laufräder und Reifen. Zwar sind die DT Swiss H1900 Räder bewährt, jedoch dem Preis von fast 10.000 Euro nicht angemessen. Die gewählten Maxxis Reifen mit Assegai an der Front und DHR II im Heck sind prinzipiell sehr gut – aber nicht in der hier verbauten, eher dünnen Exo-Karkasse. An dieser Stelle hätten wir uns leichtere Laufräder und dafür stabilere Reifen gewünscht – so bliebe das Gewicht gleich und man hätte ein ordentliches Performance-Plus auf dem Trail.
Für den Praxistest haben wir das BH iLynx+ NX Enduro über verschiedenste Trails bewegt, von flowigen Hometrails bis hin zu anspruchsvollen Strecken im Bikepark. Der erste Eindruck ist dabei vor allem eines: leise. Sowohl bergauf als auch bergab herrscht eine bemerkenswerte Ruhe. Der Bosch-Motor summt dezent, und vom Rahmen ist keinerlei Klappern von Zügen oder Kette zu vernehmen – ein großer Pluspunkt für den Fahrgenuss.
Handling und Fahrwerk
Auf dem Trail gibt sich das iLynx+ NX sehr gutmütig. Das Handling ist ausgewogen und dank des eher kompakten Rahmens agil. Es lässt sich willig in Kurven legen und vermittelt viel Sicherheit. Der Split-Pivot-Hinterbau leistet hier ganze Arbeit. Selbst mit dem verbauten Coil-Dämpfer, der oft zu einem sehr satten, aber auch etwas trägen Gefühl führt, wirkt das Heck nicht behäbig. Es bietet eine hervorragende Traktion, spricht sensibel auf kleine Unebenheiten an und stellt am Ende des Federwegs genügend Progression und Reserven für harte Einschläge bereit. Das spürbar geringe Gesamtgewicht trägt zusätzlich zum agilen Charakter bei.
Die Geometrie mit der eher tiefen Front ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, insbesondere für Fahrer, die hohe Cockpits von anderen modernen Enduro-Bikes gewohnt sind. Nach einer kurzen Eingewöhnung lässt sich das Rad aber präzise steuern. Dennoch wird auch deutlich, dass das iLynx+ NX trotz des Namenszusatzes „Enduro“ kein reinrassiges Abfahrtsgerät ist, sondern sich noch immer durchaus als Allrounder versteht. Bei der Ausstattung sticht insbesondere die neue Shimano XT Di2 Schaltung hervor: Zuverlässig und unauffällig, hat sie mit den eShift-Features ein echtes Ass im Ärmel.
Uphill-Performance und Motor
Bergauf spielt das BH seine Stärken voll aus. Der Bosch CX Motor schiebt kraftvoll und kontrollierbar an. In Kombination mit der elektronischen Shimano XT Di2 Schaltung ergibt sich ein besonders harmonisches Zusammenspiel. Features wie das automatische Schalten mehrerer Gänge im Stand (Roll-Shift) erweisen sich als äußerst praktisch. Der Hinterbau bleibt auch bei steilen Anstiegen ruhig und generiert viel Traktion, sodass auch technische Uphills souverän gemeistert werden können.
Kritikpunkte im Detail
Trotz der vielen positiven Eindrücke gibt es auch Anlass zur Kritik. Der wohl größte Schwachpunkt in der Konfiguration unseres Enduro-Testbikes ist die Bereifung. Die verbauten Maxxis-Reifen mit der dünnen EXO-Karkasse sind für ein derart potentes E-Enduro mit 160/170 mm Federweg schlicht unterdimensioniert. Zwar hatten wir keine Defekte, aber das lag auch am höheren Luftdruck, den wir angesichts der Reifenwahl direkt vor dem Testen gewählt haben. Für den anvisierten Einsatzbereich wären stabilere Karkassen wie Exo+ oder am Hinterrad sogar eine Doubledown-Variante zwingend erforderlich, um dem höheren Gewicht und den auftretenden Kräften standzuhalten und Durchschlägen vorzubeugen. Hier sollten potenzielle Käufer ein Upgrade einplanen.
Wie bereits erwähnt, sind der fest verbaute Akku und die Zugverlegung durch den Steuersatz konzeptionelle Entscheidungen, die man als Käufer akzeptieren muss. Sie schränken die Alltagstauglichkeit und die Wartungsfreundlichkeit im Vergleich zu anderen Lösungen am Markt spürbar ein.







