E-MTB / Test: Wir hatten endlich die Gelegenheit, das Bulls Vuca Evo AM 2 mit der neuen Pinion MGU über einen längeren Zeitraum zu testen. Neben dem Bike selbst wollten wir auch die Antriebseinheit unter die Lupe nehmen nachdem der anfängliche „Wow-Effekt“ aus dem Sommer etwas verblasst ist.
Die Pinion MGU sorgte im Sommer für Furore auf dem E-Bike-Markt. Die Idee, einen Mittelmotor mit einer Schaltungseinheit zu kombinieren, war für viele eine lang ersehnte Innovation. Obwohl wir bereits zum Launch des Antriebs Gelegenheit hatten, einige Räder damit zu testen, waren diese Tests zeitlich ziemlich beschränkt und oft auch in unpassenden Rahmengrößen. Mit dem Bulls Vuca Evo AM 2 hatten wir nun jedoch endlich die Chance, ein fast finales E-MTB mit Pinion MGU in einer passenden Rahmengröße ausführlich im passenden Gelände zu testen. „Fast-Serienzustand“ bedeutet in diesem Fall, dass insbesondere die Software des Antriebs und das verbaute Display noch nicht ganz dem finalen Zustand entsprechen. Entsprechend werden wir darauf nur am Rande eingehen.
Kurz zusammengefasst handelt es sich bei der Pinion MGU um eine Kombination aus einer 12-Gang-Getriebeschaltung mit einer beeindruckenden Übersetzungsbandbreite von 600% und einem Mittelmotor, der laut Pinion ein vergleichbares Drehmoment von 85 Nm bietet, ähnlich wie die meisten gängigen Mittelmotoren auf dem Markt. In unseren Leistungsmessungen erwies sich die Pinion MGU jedoch als stärker als viele Mitbewerber auf dem Markt, was sich auch im Praxiseinsatz zeigte.
Gewichtstechnisch liegt die Gesamteinheit bei etwa 4,1 kg, verglichen mit einem herkömmlichen Mittelmotor und einer entsprechenden Kettenschaltung, die hier wegfällt, sind es nur wenige hundert Gramm mehr. Anstelle einer Kettenschaltung hinten verfügt das Bike über einen Riemenantrieb, was die Wartung erheblich vereinfacht. Pinion selbst gibt an, dass das System nahezu wartungsfrei bis zu 10.000 km laufen kann, bevor ein Ölwechsel erforderlich ist. Auch wenn wir dies noch nicht nachprüfen konnten, hoffen wir, dass Pinion diesbezüglich recht behält, denn das wäre eine echte Innovation auf dem Markt. Das Bulls Vuca Evo AM 2 in Rahmengröße L und dem 720-Wh-Akku wiegt knapp unter 24,7 kg, was angesichts der großzügigen Ausstattung mit 150 mm Federweg vorne und hinten, robusten Reifen, 29-Zoll-Laufrädern und einer Fox 38-Gabel vorne ein durchaus respektables Gewicht ist.
Carbon Hauptrahmen mit innovativem Hinterbau
Der Hauptrahmen des Bikes besteht aus Carbon, während der Hinterbau aus Aluminium gefertigt ist. Optisch erinnert die Dämpferanlenkung an die bekannten E-Stream Evo-Modelle, jedoch kommt die Konstruktion am Vuca Evo AM mit einer zusätzliche Umlenkung aufweist. Bulls nennt das den „Four Link Swingarm“ – im Grunde genommen ein sehr komplex abgestützter Eingelenker. Diese Konstruktion hat mehrere Vorteile, darunter vor allem der einteilige Hinterbau ohne Lager. Das spart Gewicht und erhöht die Steifigkeit. Zudem kann man den Dämpfer mit recht wenig Druck fahren, was vor allem schwerere Fahrer freuen dürfte: Für rund 85 kg bei ca. 30% Sag benötigten wir nur 150psi. Dazu passt dann auch das hohe zulässige Gesamtgewicht von 150 kg. Darüber hinaus kann man sogar einen Anhänger anbringen, obwohl dies vielleicht nicht das Hauptanwendungsgebiet des Bikes ist.
Gute Ausstattung ohne echte Schwächen
Im Test hatten wir das Topmodell mit einer UVP von 8.499 Euro, das jedoch bereits auf 7.999 Euro reduziert wurde. Serienmäßig kommt das Bike mit dem 720 Wh Akku, der größere 960-Wh-Akku schlägt mit einem Aufpreis von 200 Euro zu Buche, was angesichts der zusätzlichen Reichweite durchaus fair ist. Es gibt auch ein preisgünstigeres Modell, das Bulls Vuca Evo AM1, das 1.000 Euro weniger kostet, jedoch weniger gut ausgestattet ist. Die Ausstattung ist angesichts des Preises und verglichen mit anderen Pinion E-MTBs durchaus überzeugend. Fox Factory Fahrwerk mit der bulligen 38er an der Front, Float X im Heck, XT 4-Kolben Bremsen, vorn sogar mit 220 mm Scheibe und hauseigene Laufräder mit 30 mm breiten Alufelgen. Da ist es auch zu verschmerzen, dass der Hub der Stütze mit 150 mm etwas knapp bemessen und dass die Fox 38 „nur“ mit der etwas einfacheren Fit4 Dämpfung ausgestattet ist.
Rahmen | Bulls Vuca Evo AM |
Federgabel | Fox 38 Factory Fit4 |
Antrieb | Pinion MGU |
Akku | 720 Wh (960 Wh erhältlich) |
Dämpfer | Fox Float X Factory |
Laufräder | Ryde Disc 30 |
Reifen VR | Maxxis Minion DHF Exo MaxxTerra 2,6" |
Reifen HR | Maxxis Minion DHRII Exo MaxxTerra 2,6" |
Schaltwerk | Pinion MGU |
Schalthebel | Pinion smart.shift |
Kurbel | Pinion |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Shimano XT M8120 |
Bremsscheiben | 220 / 203 mm |
Sattelstütze | Limotec Alpha 1 (150 mm) |
Sattel | Ergon GE10 |
Vorbau | Bulls MTBi-Sport |
Lenker | Bulls Enduro Carbon |
Das Bulls Vuca Evo AM 2 auf dem Trail
Über mehrere Tage haben wir das Bulls Vuca Evo AM 2 ausführlich auf den Trails gefahren. Schon beim ersten Antritt auf dem Bike wird eines klar: Die Pinion MGU-Antriebseinheit bietet eine beeindruckende Leistung und Beschleunigung. Sie verleiht dem Bike das Gefühl eines echten „Powermotors“. Gerade in den höheren Unterstützungsstufen schiebt die Antriebseinheit kräftig an, selbst bei niedriger Kadenz. Dabei variiert die Lautstärke des Motors jedoch erheblich. In den schwereren Gängen bleibt das Bike fast unhörbar, sobald man jedoch in einen der leichteren Gänge wechselt und die Kadenz erhöht, wird der Motor doch ziemlich laut. Dies ist insbesondere im Gang 4, der bergauf viel Leistung bietet, spürbar.
Geometrie Bulls Vuca Evo AM
S | M | L | XL | |
---|---|---|---|---|
Sitzrohr (in mm) | 410 | 440 | 480 | 540 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 610 | 620 | 640 | 660 |
Steuerrohr (in mm) | 105 | 105 | 120 | 140 |
Lenkwinkel (in °) | 66 | 66 | 66 | 66 |
Sitzwinkel (in °) | 75 | 75 | 75 | 75 |
Kettenstreben (in mm) | 455 | 455 | 455 | 455 |
Tretlagerabsenkung (in mm) | 30 | 30 | 30 | 30 |
Radstand (in mm) | 1216 | 1227 | 1250 | 1273 |
Reach (in mm) | 442 | 452 | 472 | 484 |
Stack (in mm) | 626 | 626 | 640 | 658 |
Die Sitzposition des Bulls Vuca Evo AM 2 ist etwas eigenwillig. Mit einem flachen Sitzwinkel und einer tiefen Front fühlt es sich anfangs etwas ungewohnt an. Auf dem Trail ist davon jedoch kaum etwas spürbar. Hier erweist sich das Bulls Vuca Evo AM 2 als erstaunlich quirlig, kann aber auch beeindruckende Nehmerqualitäten unter Beweis stellen. Vor allem der Hinterbau wusste zu gefallen und harmoniert gut mit der Front. Die höherwertige Grip2 Dämpfung in der Gabel wäre noch das i-Tüpfelchen.
Bei den verbauten Komponenten gibt es kaum etwas auszusetzen. Je nach Beinlänge könnte eine Stütze mit mehr Hub von Vorteil sein und wer es bergab richtig krachen lassen möchte, wechselt zumindest am Hinterrad besser auf einen Reifen mit stabilerer Karkasse.
Das Schalten mit der Pinion MGU ist toll: Sowohl in der Abfahrt wie im Stand oder unter Last sind die Gänge blitzschnell gewechselt, ein kurzer Druck auf den ergonomischen Schalthebel genügt. Lediglich zwei Gangsprünge dauern etwas länger: Zwischen den Gängen 4 und 5 sowie zwischen den Gängen 8 und 9. Die Gründe dafür liegen in der inneren Übersetzung der Pinion MGU und können auf technisch anspruchsvollen Uphills etwas störend sein. Das kommt jedoch ganz entscheidend auf das individuelle Einsatzgebiet an.
Im Uphill schlägt sich das Bike gut, wenn es sehr steil und technisch wird, erfordert es jedoch einen erfahrenen Piloten: Die hecklastige Sitzposition und das etwas ungestüme Anfahrverhalten der Pinion MGU sind hier etwas gewöhnungsbedürftig.