Wenn Automobilhersteller sich an E-Bikes wagen – und das mussten wir leider schon des öfteren feststellen – dann konnten die Fahrräder häufig nicht gänzlich überzeugen. Ein E-Bike ist eben aus unzähligen Gründen komplexer als viele Automobil OEs denken. Porsche ist aber kein gewöhnlicher Automobilhersteller. Wenn der Sportwagenhersteller ein E-Bike auf den Markt bringt und dann auch noch Rotwild mit auf dem Rahmen steht, werden wir hellhörig. Wir haben das Porsche eBike Cross Performance EXC für euch getestet – in einem Test der besonderen Art.
Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Fahrradhersteller zum Testbike noch Zubehör wie beispielsweise Trinkflasche, Lampen etc. mitschicken. Umso ungewöhnlicher, jedoch nicht weniger spannend war das Zubehör des Porsche eBike Cross Performance EXC: Porsche Taycan Turbo S Cross Turismo samt Porsche Heckträger und Dachzelt!
Wir nahmen das zum Anlass für einen etwas anderen Test – 100% elektrisch.
100% Porsche, 100% elektrisch
Wir staunten nicht schlecht, als Porsche uns sagte, dass sie zum Testbike auch ein entsprechendes Fahrzeug bereitstellen würden und nahmen dies zum Anlass für einen kleinen Roadtrip durch Südtirol und Österreich – natürlich mit dem Porsche eBike Cross Performance EXC auf dem Heckträger. Da wir ein digitales Fachmagazin für Fahrräder und E-Bikes sind, möchten wir euch nicht mit einem Automobil-Review langweilen, dennoch sollte das Elektrofahrzeug an dieser Stelle schon ein bisschen erwähnt werden. Zumal sich – und hier greifen wir bereits kurz auf den Fahrbericht des E-Bikes vor – einige spannende Parallelen ziehen lassen.
Ein paar Eckdaten des Testwagens: 761 PS, 93,4 kWh Akkukapazität, maximal 270 kW Ladeleistung, 0-100 km/h: ca. Lichtgeschwindigkeit
Klingt verdammt schnell? Ist es auch! Sogar so schnell, dass selbst unsere automobilaffinen Redakteure beim Beschleunigen schwammige Knie bekamen. Aber wie stand es um die Reichweite? Und hier kann man bereits die erste Parallele zwischen E-Auto und E-Bike ziehen, denn Reichweitenangst haben wohl beide Kunden – zumindest am Anfang. Am E-Bike können wir als Redaktion die Leser oft beruhigen, weil wir beim Fahrrad jahrelange Erfahrung mitbringen; wir wissen aber auch, dass ein theoretischer Wert oft nichts mit der Praxis zu tun hat. Bei der ersten längeren Fahrt mit dem Porsche Taycan Turbo S: Reichweitenangst! Was tun, wenn wir plötzlich ohne Akku liegen bleiben? Können wir uns auf die Reichweitenangaben im Bordcomputer verlassen? Liegengeblieben sind wir natürlich nicht, was zum einen an der mittlerweile gut ausgebauten Ladeinfrastruktur liegt und zum anderen der höchst präzisen Restreichweitenerrechnung des Autos zu verdanken ist. Wenn die intelligente Navigation auf langen Etappen beispielsweise einen errechneten Restakkustand von 8% an der Zielladesäule voraussagt, dann traf das eigentlich immer zu. Chapeau! So präzise ist die Berechnung bei E-Bikes bei Weitem nicht.
Das Fahrverhalten des Taycan Turbo S in aller Kürze: Ultra-schnell, präzise, sportlich-straff und dennoch komfortabel und mit einer Fahrdynamik, die man bisher bei keinem anderen Elektroauto so erlebt hat (Zitat von einem unserer autoaffinen Redakteure). Wieso schreiben wir das? Man merke sich die Attribute für den Fahrbericht des E-Bikes…
Porsche Dachzelt und Heckträger
Schuster, bleib bei deinem Leisten… Bevor wir endlich auf das wirklich spennende E-Bike eingehen, noch ganz kurz zu Heckträger und Dachzelt. Die Besonderheit des 2.416 Euro teuren Trägers ist, dass er mittels zweier Stangen direkt mit dem Chassis des Fahrzeugs verbunden wird. Somit sitzen selbst zwei E-Bikes bombenfest und man hat in schnelleren Kurvenfahrten nie ein schlechtes Gefühl (glaubt uns, das haben wir oft ausprobiert…).
Das 4.981 Euro teure Dachzelt zieht vor allem die Blicke entgegenkommender Autos auf sich. Scheinbar sind Sportwägen doch eher selten mit Dachaufbauten unterwegs… Die Handhabung in der Praxis gestaltet sich als äußerst simpel und im Zelt finden zwei Personen bequem Platz. Wir müssen aber gestehen, dass wir bis auf einen kurzen Test lieber das gewohnte Umfeld eines Hotelzimmers (aus Bequemlichkeit) bevorzugt haben.
Porsche eBike Cross Performance EXC: Kurz und knapp
Genug Worte über den wirklich beeindruckenden Taycan samt Zubehör, jetzt widmen wir uns unserer Fahrrad-Kernkompetenz. Hier die Eckdaten des Porsche eBike Cross Performance EXC:
- Rahmenmaterial: Carbon
- Federweg: 120 / 100 mm (vorne / hinten)
- Laufradgröße: 29 Zoll (Rahmengröße S: 27.5 Zoll)
- Motor: Shimano EP801
- Akku: 630 Wh integriert und entnehmbar (504 Wh in Rahmengröße S)
- Gewicht: 21 kg
- Zulässiges Gesamtgewicht: 120 kg
- Preis: 14.200 Euro
Hochwertiger Carbonrahmen – mit namhaftem Partner entwickelt
Herzstück des Porsche E-Bikes ist ein eigenständiger Rahmen aus Carbon. Sieht man etwas genauer hin, erkennt man neben den Porsche Schriftzügen und dem typischen Emblem auf dem Steuerrohr auch einen bekannten Namen aus der Bikebranche: Rotwild. Während das Design – angelehnt an die Linienführung des Porsche 911 und Taycan – aus dem Hause Porsche stammt, hat man sich für die technische Umsetzung einen renommierten Fahrradexperten mit ins Boot geholt.
100 mm Federweg stellt der Rahmen über einen liegenden Dämpfer am Heck bereit, 120 mm sind es an der Gabel. Schöne Detaillösungen wie die integrierte Sattelklemmung oder die im Rahmen verlaufenden Züge machen einen hochwertigen und durchdachten Eindruck.
Kraftvoller Shimano EP801 Motor und entnehmbarer Akku
Als Antriebssystem setzt Porsche auf den bewährten und top-aktuellen Shimano EP801 Motor. Schön ins Design integriert, stellt dieser bis zu 85 Nm Drehmoment bereit und lässt sich über die Shimano E-Tube App auf die persönlichen Vorlieben individualisieren. Die Energie bezieht der Motor aus einem integrierten und mittels Schloss auch entnehmbaren 630 Wh Akku (504 Wh in der Rahmengröße S), welcher im Unterrohr sitzt und nach unten ausgebaut werden kann. Für die Steuerung des Antriebssystems sowie der Anzeige aller relevanten Fahrdaten setzt Porsche auf das beliebte SC-EM800 Display in Kombination mit unauffälligen aber intuitiv bedienbaren Triggern.
Porsche eBike Cross Performance EXC: Edle Ausstattung
Rahmen | Carbon |
Federgabel | Fox 34 Float Factory, 120 mm |
Antrieb | Shimano EP801 |
Akku | Intube, 630 Wh |
Laufräder | Crankbrothers Synthesis Enduro Carbon |
Reifen | Continental Cross King |
Schaltwerk | Shimano XT Di2, 12-Gang |
Schalthebel | Shimano XT Di2 |
Kurbel | Shimano |
Umwerfer | |
Bremse | Magura MT7, 203/203 |
Sattelstütze | Crankbrothers Highline 3 Dropper Post |
Sattel | Ergon SM Sport |
Vorbau | ST140 Aluminium, 50 mm |
Lenker | B220 Flatriser-35 Carbon, 780 mm |
Bei der Ausstattung hat sich Porsche nicht lumpen lassen, was angesichts des Preises des Cross Performance EXC auch als obligatorisch angesehen werden kann. Fahrwerk: Fox Factory, bestehend aus einer 34er an der Front und einem Float DPS Dämpfer am Heck. Schaltung: Elektronisch und mit 12 Gängen. Der Clou an der Shimano XT Di2? Durch die markenreine Integration mit dem Shimano Motor kann man – wenn man möchte – auch beim Rollen ohne Treten die Gänge wechseln (FreeShift).
Aber auch bei den Bremsen setzt Porsche auf Performance. Die Magura MT7 Bremsanlage ist äußerst kraftvoll und standfest, was unter anderem auch an den mit 203 mm üppig dimensionierten MDR-P Bremsscheiben liebt. Carbonlenker, Carbon-Laufräder von Crankbrothers, ergonomische Kontaktpunkte von Ergon und eine Dropper Post runden die hochwertige und stimmige Komplettierung ab.
Das Porsche eBike Cross Performance EXC im Praxistest
Porsche selbst sieht das eBike Cross Performance EXC als waschechtes E-MTB, welches den „Traum von flowigen Trailfahrten Realität werden lässt“. Angesichts der dünnen, nicht allzu grobstolligen Reifen und 120/100 mm Federweg waren wir zugegebenermaßen anfangs skeptisch. „Nicht schon wieder ein unnützes Rad eines Automobilherstellers, welches an der Realität vorbei lustlos auf den Markt geworfen wird“ – dachten wohl einige Redaktionskollegen. Die anfängliche Skepsis änderte sich aber recht schnell nach den ersten Metern…
Als erstes fällt immer die Sitzposition auf. Diese ist beim Porsche E-Bike sportlich-modern, aber keinesfalls fordernd (auch nicht für Anfänger). Schnell fühlt man sich wohl, wird aber – wie beim vierrädrigen Namensvetter – daran erinnert, dass es sich um ein Sportgerät handelt. Der Hinterbau ist straff, aber arbeitet in Kombination mit dem Float DPS Dämpfer hervorragend. In Puncto Bremsleistung muss man sich mit der bärenstarken Magura MT7 niemals Sorgen machen und das Schalten mit der Shimano XT Di2 macht eigentlich so viel Spaß, dass man sich nach längerer Fahrt keine Seilzugschaltung mehr vorstellen kann.
Selbst wenn man bereits unzählige E-Bikes mit kraftvollen Mittelmotoren gefahren ist, ist man erstaunt, wie zackig das Porsche E-Bike im Antritt ist. Der drehmomentstarke Shimano EP801 in Kombination mit dem äußerst steifen Rahmen und den steifen Carbon-Laufrädern samt schmalen, leichtrollenden Reifen hat leichtes Spiel mit dem Bike. Wird das Gelände anspruchsvoller, kommen jene Reifen natürlich sehr schnell an ihre Grenzen. Geübte Fahrer kommen mit dem Porsche eBike Cross Performance EXC aber „überall runter“.
Zusammenfassend kann man die Fahreigenschaften als sportlich-straff, dynamisch, ausgewogen, kraftvoll und die Verarbeitungsqualität als exzellent bezeichnen. Kommt uns irgendwie bekannt vor…
Ist das Porsche eBike Cross Performance EXC perfekt? Nein. Wäre es als vollausgestattetes sportliches Trekking-Fully besser aufgehoben? Vielleicht. Macht es Spaß? Ja. Ist es ein gutes E-Bike? Ja. Hat es seine Daseinsberechtigung? Ja. Ist es zu teuer? Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Fakt ist, das Porsche eBike Cross Performance hat sich unser renommiertes Velomotion Testsiegel verdient. Es zeigt klare Kante, ist mit Sinn und Verstand auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet und hat vor allem das was vielen (Automotive) OEs bei den E-Bikes fehlt: Eine Marken-DNA.