Test / E-MTB: Das Rotwild R.X735 Pro ist mittlerweile seit über zwei Jahren auf dem Markt – eine kleine Ewigkeit in der schnelllebigen E-Bike-Branche. Während viele Hersteller im Jahresrhythmus Neuheiten präsentieren, stellt sich die Frage, ob ein bewährtes Konzept wie das des R.X735 noch mit aktuellen Modellen mithalten kann. Die Kombination aus geringem Gewicht, Full-Power-Motor und entnehmbarem Akku ist nach wie vor eine Seltenheit. Gepaart mit mittlerweile deutlich attraktiveren Preisen könnte das All-Mountain-Bike aus Dieburg gerade jetzt ein heißer Tipp für anspruchsvolle Trail-Piloten sein. Wir haben das R.X735 Pro auf die Probe gestellt, um herauszufinden, ob es zum alten Eisen gehört oder seinen Platz auf den Trails nach wie vor behauptet.
Das Rotwild R.X735 im Detail
Das R.X735 positioniert sich im umfangreichen Portfolio von Rotwild als klassisches All-Mountain-Bike. Mit 150 mm Federweg an der Front und 144 mm am Heck, gepaart mit 29-Zoll-Laufrädern, zielt es auf eine maximale Vielseitigkeit ab. Es soll die Brücke schlagen zwischen ausgedehnten Touren und anspruchsvollen Trail-Abenteuern, ohne sich dabei in Extreme zu verirren.
Rahmen und Geometrie
Herzstück des R.X735 ist ein aufwendig gefertigter Vollcarbonrahmen, der maßgeblich zum geringen Gesamtgewicht beiträgt. Das hier getestete Pro-Modell wiegt trotz des potenten Antriebs und des großen Akkus etwas unter 22 Kilogramm. Der Rahmen ist für die Kategorie 4 freigegeben und erlaubt ein maximales Gesamtgewicht von 130 kg, was seine robuste Auslegung unterstreicht.
| S | M | L | XL | |
|---|---|---|---|---|
| Reach (mm) | 430 | 450 | 475 | 500 |
| Stack (mm) | 625 | 625 | 643 | 652 |
| Sitzrohr (mm) | 410 | 440 | 470 | 506 |
| Lenkwinkel (in °) | 67 | 67 | 67 | 67 |
| Sitzwinkel (in °) | 75 | 75 | 75 | 75 |
| Oberrohr (mm) | 597 | 617 | 647 | 675 |
| Kettenstreben (mm) | 450 | 450 | 450 | 450 |
| Steuerrohr (mm) | 110 | 110 | 130 | 140 |
| BB Drop (mm) | 30 | 30 | 30 | 30 |
Ein besonderes Augenmerk legte Rotwild auf durchdachte Details. So wird erfreulicherweise auf eine Zugverlegung durch den Steuersatz verzichtet. Die Leitungen treten stattdessen seitlich am Steuerrohr in den Rahmen ein, was die Wartung erheblich vereinfacht, ohne die aufgeräumte Optik zu stören. Der Hinterbau ist ebenfalls komplett aus Carbon gefertigt; lediglich der Yoke, der das Federbein anlenkt, besteht aus Aluminium.
Die Rahmenprotektoren an Ketten- und Sitzstrebe sind gut ausgeführt und schützen den teuren Carbonrahmen effektiv vor Kettenschlägen. Lediglich das Unterrohr ist ab Werk ungeschützt, hier empfiehlt sich das Anbringen einer Schutzfolie. Trotz der seitlichen Akku-Entnahme findet im Rahmendreieck ein Flaschenhalter Platz, was die Tourentauglichkeit weiter erhöht.
Antriebssystem: Shimano EP801 und der Rotwild-Akku
Als Antrieb kommt der bewährte Shimano EP801-Motor zum Einsatz. Mit 85 Nm maximalem Drehmoment und bis zu 600 Watt Spitzenleistung gehört er zwar nicht mehr zur absoluten Leistungsspitze im Vergleich zu neuesten Aggregaten von Bosch oder DJI, der Unterschied in der Praxis ist jedoch geringer als vermutet. Der Motor liefert eine kraftvolle und gut dosierbare Unterstützung, die auch für steilste Anstiege ausreicht.
Ein bekanntes Merkmal des Shimano-Motors ist sein Klappergeräusch bei Abfahrten, das auch beim R.X735 auftritt. Die Wahrnehmung dieses Geräuschs ist subjektiv: Während es manche Fahrer dauerhaft stört, nehmen es andere nach einer Gewöhnungsphase kaum noch wahr.
Die Energie liefert eine von Rotwild entwickelte, im Carbongehäuse sitzende Batterie mit 720 Wh Kapazität. Das Besondere ist der Entnahmemechanismus: Per Knopfdruck lässt sich der rund 3,5 kg schwere Akku blitzschnell aus der Seite des Unterrohrs entnehmen. Diese Lösung ist eine der besten auf dem Markt und extrem nutzerfreundlich. Einziger Wermutstropfen ist das fehlende Akkuschloss, was bei einem an öffentlichen Orten abgestellten Rad ein potenzielles Diebstahlrisiko darstellt.
Ausstattungsvarianten: Das Pro-Modell als goldene Mitte
Das R.X735 wird in drei Varianten angeboten: Core, Pro und Ultra. Das hier getestete Pro-Modell stellt dabei oft den besten Kompromiss aus Preis und Leistung dar.
Das Fahrwerk stammt von Fox und besteht aus einer 36 Performance Elite Gabel mit FIT4-Kartusche und einem Float X Performance Dämpfer. Diese Kombination ist für den All-Mountain-Einsatz hervorragend geeignet. Die Gabel bietet nahezu die gleiche Performance wie ein Factory-Modell und lässt sich dank Fit4 Kartusche einfach und schnell abstimmen. Der Hinterbau arbeitet feinfühlig, bietet guten Gegenhalt und verfügt über ausreichend Endprogression für härtere Schläge.
| Rahmen | Rotwild R.X735 Carbon |
| Federgabel | Fox 36 Performance Elite Fit4 |
| Antrieb | Shimano EP801 |
| Akku | 720 Wh |
| Dämpfer | Fox Float X Performance |
| Laufräder | Crankbrothers Synthesis Enduro I9 |
| Reifen VR | Schwalbe Magic Mary Soft SuperGround |
| Reifen HR | Schwalbe Hans Dampf Soft SuperTrail |
| Schaltwerk | Shimano XT Di2 8150 |
| Schalthebel | Shimano XT Di2 8150 |
| Kurbel | e*thirteen Plus |
| Umwerfer | Ohne |
| Bremse | Shimano XT M8120 |
| Bremsscheiben | Shimano XT 203/203 mm |
| Sattelstütze | 8Pins H01 |
| Sattel | Ergon SM Comp |
| Vorbau | e*thirteen Plus |
| Lenker | e*thirteen Plus |
Ein Highlight der Ausstattung ist die elektronische Shimano XT Di2 12-fach Schaltung. In Kombination mit dem Shimano-Motor ermöglicht sie die „Free Shift“-Funktion: Gänge können gewechselt werden, ohne dabei zu pedalieren. Ein Feature, das man besonders in der Abfahrt vor dem nächsten Gegenanstieg schnell zu schätzen lernt. Ebenfalls aus der XT-Gruppe stammen die standfesten 4-Kolben-Bremsen mit 203-mm-Scheiben vorne und hinten.
Bei den Laufrädern setzt Rotwild auf den hochwertigen Crankbrothers Synthesis Enduro Satz aus Aluminium, der Robustheit und ein moderates Gewicht vereint. Die Bereifung mit Schwalbe Magic Mary in der SuperGround-Karkasse vorne und Hans Dampf in der SuperTrail-Karkasse hinten ist ein Kompromiss in Richtung Tourentauglichkeit und Gewichtsersparnis. Für einen aggressiveren Einsatz im groben Gelände wäre vorne eine stabilere Karkasse (z.B. SuperTrail) wünschenswert.
Das Rotwild R.X735 im Praxistest
Auf dem Trail überrascht das R.X735 mit einem deutlich sportlicheren Charakter, als die Eckdaten es vielleicht vermuten lassen. Es ist kein reines Touren-Bike, sondern ein potentes All-Mountain mit einem ausgeprägten Spieltrieb.
Uphill-Performance
Im Anstieg profitiert das Rad von seiner ausgewogenen Geometrie. Der relativ steile Sitzwinkel positioniert den Fahrer zentral über dem Tretlager, was viel Druck auf das Vorderrad bringt. Selbst in sehr steilen Rampen bleibt das Vorderrad am Boden und die Traktion ist exzellent. Das Kletterverhalten ist kraftschonend und souverän. Auf flacheren Passagen und Forstwegen führt diese sportliche Auslegung zu einer kompakten Sitzposition mit spürbarem Druck auf den Händen. Fahrer, die eine sehr aufrechte und komfortable Haltung bevorzugen, sollten dies bei einer Probefahrt berücksichtigen.
Trail- und Downhill-Eigenschaften
Geht es bergab, entfaltet das R.X735 sein volles Potenzial. Es fährt sich agil und lebendig, lässt sich spielerisch durch Kurven zirkeln und animiert dazu, an Kanten abzuziehen. Das vergleichsweise geringe Gewicht trägt maßgeblich zu diesem leichtfüßigen Fahrverhalten bei. Das Fahrwerk bietet eine hervorragende Rückmeldung vom Untergrund und reagiert unmittelbar auf die Impulse des Fahrers.
Trotz seiner Verspieltheit vermittelt das Rad viel Sicherheit, wenn es schneller und ruppiger wird. Es ist zwar kein reinrassiges „Ballergerät“ für den Bikepark, schlägt sich aber auch in anspruchsvollem Enduro-Gelände beachtlich. Der progressive Hinterbau bietet hohe Reserven und verhindert Durchschläge effektiv. In Summe ist die Abstimmung zwischen Geometrie, Fahrwerk und Gewicht sehr gelungen und trifft den Charakter eines modernen All-Mountain-Bikes perfekt.









