E-MTB / Test: Mit dem Stevens E-Inception ED 8.7.1 GTF nehmen wir ein sehr potentes eMTB mit viel Federweg und Bosch Smart System unter die Lupe. Das getestete Modell kommt zudem zu einem fairen Preis.
Seit dem vorigen Modelljahr sind die sportlichen E-Inception Fullies aus dem Hause Stevens nicht mehr nur mit dem Shimano EP8 Antrieb ausgestattet, sondern ebenfalls mit dem Bosch Smart System samt CX Motor erhältlich. Durch das zweite Antriebssystem wächst das Portfolio des eMTBs noch weiter und umfasst inzwischen zahlreiche Modelle, die sich auch in Federweg, Rahmenmaterial und dem Einsatzbereich unterscheiden.
Stevens E-Inception ED 8.7.1 GTF: Eckdaten und Geometrie
Unser Testbike hört dabei auf den etwas sperrigen Namen Stevens E-Inception ED 8.7.1 GTF. Dabei steht die Ziffer 1 für das Antriebssystem aus dem Hause Bosch (8.7.2 = Shimano), ED verweist auf den Einsatzbereich Enduro und GTF ist die Abkürzung für die mittlerweile bewährte „Gas to Flat“ Geometrie. Entsprechend dieser Bezeichnungen dürfte es dann auch nicht überraschen, dass das Bike mit üppigen 170 mm Federweg an Front und Heck ausgestattet ist und mit einem Mullet-Laufradgrößen-Mix daherkommt.
Die Abmessungen des Rahmens sind durchweg modern und auch dem Einsatzbereich Enduro angemessen: Ein modern-langer Hauptrahmen trifft auf einen flachen Lenkwinkel, eher lange Kettenstreben und einen steilen Sitzwinkel. Das verspricht einen guten Geradeauslauf und starke Klettereigenschaften. Durch das recht hohe Tretlager dürften gerade im Uphill auch Pedalaufsetzer die Ausnahme sein. Die hohe Front entschärft die Geometrie zudem ein wenig und zwängt den Fahrer in keine allzu aktive Fahrposition, was jedem zugute kommen dürfte, der auch mal eine gemütliche Tour unter die Reifen nehmen möchte.
Geometrie Stevens E-Inception ED GTF
16 | 18 | 20 | 22 | |
---|---|---|---|---|
Sitzrohr (in mm) | 390 | 430 | 460 | 510 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 587 | 607 | 632 | 658 |
Steuerrohr (in mm) | 105 | 115 | 125 | 145 |
Lenkwinkel (in °) | 64,3 | 64,3 | 64,3 | 64,3 |
Sitzwinkel (in °) | 76 | 75,8 | 75,7 | 75,5 |
Kettenstreben (in mm) | 450 | 450 | 450 | 450 |
Tretlagerabsenkung (in mm) | 18,5 | 18,5 | 18,5 | 18,5 |
Radstand (in mm) | 1227 | 1249 | 1275 | 1302 |
Reach (in mm) | 440 | 457 | 478 | 497 |
Stack (in mm) | 625 | 635 | 644 | 662 |
Carbonrahmen mit schönen Details und fest verbautem Akku
Zu den Highlights zählt ganz sicher der Vollcarbonrahmen des E-Inception ED 8.7.1 GTF, insbesondere in dieser Preisklasse weit unter 10.000 Euro – da kommt heutzutage nur in den seltensten Fällen leichte Kohlefaser für den Rahmen zum Einsatz. Den Rahmen jedoch allein auf sein Material zu reduzieren, würde ihm kaum gerecht werden, denn Stevens hat hier auch auf einige Details geachtet, die vor allem den Einsatz im Alltag deutlich erleichtern.
Da wäre beispielsweise der USB-C Anschluss im Oberrohr zum Laden eures Smartphones (oder anderer elektronischer Geräte) während der Fahrt. Richtig tolle Sache und man muss sich durchaus Fragen, weshalb andere Hersteller dieses Feature nicht ebenfalls anbieten – zumal Bosch selbst diese Option ausschließlich in Verbindung mit dem Smartphone Hub bietet. Außerdem fällt die robuste, sehr einfach zu bedienende Klappe über dem Ladeanschluss am Rahmen auf. Auch hier hätte Stevens zweifellos auf die günstigere, Bosch-eigene Gummiabdeckung setzen können. Wer diese jedoch kennt, weiß wie nervig ihre Handhabung zuweilen sein kann.
Apropos Ladeanschluss: Mit diesem wird man als Besitzer des Stevens E-Inception ED 8.7.1 GTF überdurchschnittlich viel in Kontakt kommen. Das liegt nicht am Akku selbst, der mit seinen 750 Wh große Reichweiten verspricht, sondern daran, dass dieser leider fest im Rahmen integriert und damit nicht zum Laden entnehmbar ist. Schade! Meist gehen Hersteller diesen Weg für geringeres Gewicht und/oder eine schlankere Optik. Mit deutlich über 25 kg Gewicht und einem recht voluminösen Unterrohr treffen diese theoretischen Vorteile der Akkuintegration im Falle des E-Inception leider jedoch nicht oder nur sehr bedingt zu.
Bewährtes Bosch Smart System und CX Motor
Zum Bosch Smart System und dem CX Motor muss man wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Nicht umsonst zählt das Antriebssystem auch nach einigen Jahren auf dem Markt weiterhin zum besten was man bekommen kann – zudem zeigt sich immer wieder, dass das Bosch System auch in puncto Zuverlässigkeit im Vergleich die Nase vorn hat. Das Performance CX Aggregat liefert sehr viel Power in der Spitze und unterstützt über ein breites Kadenzspektrum. Gerade die hohe Leistung bei einem (zu) schweren Gang und niedriger Kadenz ist nach wie vor fast unerreicht. Dank seiner guten Effizienz sowohl in der Ebene als auch am Berg erreicht das System in Verbindung mit dem 750 Wh Akku sehr gute Reichweiten, die in den allermeisten Fällen locker auch für längere Tagestouren genügen sollte.
Für die Bedienung des Antriebs zuständig ist am Stevens eMTB die mit dem Smart System vorgestellte LED Remote, die durch das Kiox 300 Display ergänzt wird. So bekommen E-Mountainbiker eine einigermaßen kompakte Bedieneinheit und ein helles Farbdisplay, das nicht nur Infos zur Fahrt anzeigt, sondern in Verbindung mit der Bosch eBike Flow App auch als Navigationshilfe dienen kann. Übrigens: Wer auf das Display verzichten oder beim sportlichen Trail-Einsatz eventuelle Sturz-Schäden vermeiden möchte, kann dieses ganz einfach abnehmen; Kabel abziehen und Display entfernen genügt. Das „Gehirn“ des Antriebs sitzt in der LED Remote und über die integrierten LEDs sind Ladestand des Akkus und Unterstützungsstufe ebenfalls erkennbar.
Vernünftige, durchdachte Ausstattung
Beim Blick auf die Komponenten spürt man an jeder Ecke, dass sich das Produktmanagement viele Gedanken gemacht hat, wie man für den Listenpreis von knapp 7.000 Euro die beste Gesamtperformance aus dem E-MTB herauskitzeln kann. Entsprechend wurde hier nicht bzw. nur selten ins „oberste Regal“ gegriffen, doch die verbauten Komponenten bieten von A bis Z einen ausgezeichneten Kompromiss, sodass die Performance-Einbußen im Vergleich zu den jeweiligen Top-Varianten nur gering ausfallen dürfte.
Ein sehr gutes Beispiel für die gelungene Komponentenwahl ist das Fahrwerk: Sowohl die RockShox ZEB an der Front als auch der Super Deluxe Dämpfer im Heck kommen in der Select+ Variante, die sich nur in einigen kleinen Details von der teureren Ultimate-Variante unterscheidet. Die mechanische Sram GX Eagle Schaltung ist zuverlässig, bietet eine große Bandbreite und kann zudem auch mit günstigen Verschleißteilen punkten. An den Sram Code RS Bremsen scheiden sich die Geister, doch die Vier-Kolben Bremsanlage bietet in Verbindung mit 200 mm großen Scheiben an Front und Heck auch für längere Abfahrten eine ausreichende Performance.
Rahmen | Stevens Carbon SL HMF |
Federgabel | RockShox ZEB Select+ |
Antrieb | Bosch Performance CX |
Akku | Bosch Powertube 750 |
Dämpfer | RockShox Super Deluxe Select+ |
Laufräder | DT Swiss H1900 Spline |
Reifen VR | Schwalbe Magic Mary SuperTrail Soft |
Reifen HR | Schwalbe Eddy Current Rear SuperGravity Soft |
Schaltwerk | Sram GX Eagle |
Schalthebel | Sram GX Eagle |
Kurbel | Oxygen E-Scorpo |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Code RS |
Bremsscheiben | Sram Centerline 200mm |
Sattelstütze | Oxygen E-Scorpo DPR-E 170mm |
Sattel | Fizik Terra Alpaca |
Vorbau | Oxygen E-Scorpo |
Lenker | Oxygen E-Scorpo |
Robust wird es bei Reifen und Laufrädern. Letztere kommen von DT Swiss und der H1900 Satz zählt nicht unbedingt zu den Leichtgewichten am Markt, doch die breiten Alufelgen sind sehr stabil und verkraften auch mal einen Einschlag ohne diesen direkt mit einer tiefen Delle zu quittieren. Darauf montiert sind Reifen aus dem Hause Schwalbe. Während die Magic Mary mit SuperTrail Karkasse und in der weichen Gummi-Mischung an der Front fast schon als überzeugender Standard-Reifen in diesem Segment durchgeht, überrascht der Eddy Current Rear im Heck, zumal in der sehr stabilen SuperGravity Ausführung. Mit ca. 1,5 kg Gewicht ist es einer der schwersten Pneus am Markt und trägt natürlich auch zum Gesamtgewicht bei, doch seine enorm steife Karkasse bietet eine herausragende Eigendämpfung und die tiefen Stollen sorgen für viel Grip beim Bremsen und auch im Uphill.
Die versenkbare Sattelstütze mit ausreichend (170 mm in Größe 20 bzw. L) Hub kommt wie auch Lenker, Vorbau und Griffe von der Eigenmarke Oxygen, beim Sattel gibt es italienische Qualität aus dem Hause Fizik.
Viel Sicherheit und gute Klettereigenschaften
Für den Praxistest waren wir mit dem Stevens E-Inception ED 8.7.1 GTF sowohl auf den Enduro-Trails rund um den Reschensee unterwegs als auch im etwas gemäßigteren Gelände auf der Schwäbischen Alb. Auffällig ist zunächst die überraschend aufrechte Sitzposition, die auch während längerer Touren in jedem Fall bequem bleiben dürfte. Verlässt das Gesäß dann den Sattel und man biegt auf den Trail ein, lässt sich das Bike sehr gutmütig durch das Gelände manövrieren, wobei es mit seinen Abmessungen, viel Federweg und dem Gewicht von über 25 kg eher laufruhig als verspielt agiert.
Selbst im anspruchsvollen Gelände vermittelt das Stevens eMTB viel Sicherheit – vorausgesetzt, das Tempo wird nicht zu hoch und der Fahrstil ist nicht zu aktiv. Bei schnellen und groben Schlägen hat der Hinterbau etwas Mühe, Schritt zu halten – trotz schneller Rebound-Einstellung am Dämpfer. Sobald man die Geschwindigkeit jedoch ein wenig drosselt, kann das Rad seine Vorzüge voll ausspielen. Fast schon stoisch fährt es über Wurzelteppiche oder Steinfelder und nimmt solchen Schlüsselstellen auch dank griffiger Reifen und großen Federwegsreserven häufig ihren Schrecken.
Eine große Qualität des E-Inception sind seine hervorragenden Klettereigenschaften. Dank der eher langen Kettenstreben steigt das Vorderrad trotz hoher Front erst sehr spät, der kräftige aber dennoch feinfühlige Bosch Motor überzeugt in Verbindung mit dem Eddy Current Reifen im Heck auch auf schmierigem Geläuf. Klar: Die Geräuschkulisse des Bosch CX Motors ist womöglich seine einzige echte Schwäche. Das mitunter penetrante Summen im Uphill lässt sich ebenso wie das bauartbedingte Klappern bergab nur ab und an ganz ausblenden.