Test / E-MTB: Das Nicolai Saturn 14 Swift ist eines der ganz wenigen Light E-MTBs mit Bosch SX Antrieb, das beim Rahmenmaterial auf Aluminium setzt. Der deutsche Traditionshersteller beweist mit seinem ersten leichten E-Mountainbike einmal mehr sein Händchen für besondere Konzepte – auch wenn es vielleicht nicht für jeden das richtige sein dürfte.
Schon zur letzten Eurobike hatte Nicolai mit dem Saturn 14 Swift sein erstes Light E-MTB der Öffentlichkeit präsentiert. Angetrieben von einem Bosch SX Motor, entnehmbarem 400 Wh Akku im Unterrohr, der über den PowerMore 250 Range Extender erweitert werden kann und natürlich mit einem in Deutschland geschweißten Rahmen aus Aluminium. So weit, so erwartbar. Nicht ganz so eindeutig ist es beim Konzept und beim Einsatzgebiet des Bikes: Auf den ersten Blick haben wir es hier mit einem sportlichen Trailbike zu tun: Der Hinterbau hat 130 mm Federweg, dazu 29 Zoll Laufräder und die schlanke Optik. Aber: Schon beim zweiten Blick zeigt sich, dass man sich hier nicht vom geringen Federweg am Heck täuschen lassen sollte: An der Front gibt es nämlich je nach Ausstattungsvariante zwischen 140 und 160 mm Federweg und auch bei den sonstigen Komponenten greift Nicolai eher zu den robusteren Varianten, was für eine etwas abfahrtslastigere Ausrichtung sprechen dürfte.
Bosch SX mit entnehmbarem Akku
Große Mühe hat sich Nicolai bei der Integration des Motors und vor allem beim Akku gegeben. Das Resultat ist zunächst etwas klobig wirkender Tretlagerbereich, der fast in die Länge gezogen wirkt. Das hat jedoch einen guten Grund: Über eine verschraubte Klappe lässt sich hier nämlich der Akku nach unten aus dem Unterrohr entnehmen. So konnte man sich eine große Klappe am Rahmen zu Gunsten des Gewichts sparen, erlaubt aber eben das Laden des Akkus getrennt vom Bike oder ein Wechsel unterwegs. Bei Letzterem sollte man jedoch etwas Zeit einplanen, denn die Entnahme dauert vor allem bei den ersten paar Malen etwas länger. Zunächst muss eine Schraube von unten aus der Klappe gedreht werden, welche dann nach vorn schwingt. Anschließend zieht man ein eigens entwickeltes „Interface“ vom Akku ab, das wie ein überdimensionierter Stecker wirkt. Anschließend kann man dann den Akku an einer kleinen Lasche aus dem Unterrohr ziehen. Damit dieser während der Fahrt nicht klappert, ist er mit zwei ziemlich kräftigen Magneten gesichert. Das Einsetzen erfolgt in umgekehrter Reihenfolge, wobei jedoch das Einstecken des Akkus ein klein wenig fummelig ist.
Auch in das Thema Ladeport ist einiges an Hirnschmalz geflossen. Denn durch den neuen PowerMore 250 Range Extender muss die Abdeckung auch während der Fahrt unter Umständen geöffnet bleiben. Deshalb gibt es hier eine Abdeckung aus Aluminium, die sich nach oben oder unten drehen lässt. So steht hier keine Klappe zur Seite weg, ist der Range Extender eingesteckt und man hat dennoch eine gute Abdeckung, ist man ohne Zusatzakku unterwegs.
Etwas überrascht waren wir beim Blick auf den Lenker – hier sitzt nämlich das Bosch Purion 200 Bedienteil. Die meisten Light E-MTBs mit Bosch SX setzen stattdessen auf den System Controller und die kabellose Mini Remote. Ein Blick auf das Oberrohr verrät jedoch, weshalb Nicolai stattdessen das Purion 200 verbaut (oder optional auch die LED Remote): Das schlanke Oberrohr bietet wohl schlicht nicht genug Platz für den System Controller. Doch ganz egal, weshalb sich Nicolai dann letztlich zu Gunsten des Purion 200 entschieden hat: Wir finden’s gut! Zwar ist die Bedieneinheit etwas größer, durch ihre Form ist sie jedoch weder optisch unschön noch bei Stürzen besonders gefährdet und bringt dennoch ein gut ablesbares Farbdisplay mit, das die wichtigsten Infos darstellen kann.
Sportliche Geometrie und robuste Ausstattung
Nicolai ist schon seit vielen Jahren für das durchaus eigenwillige Geometriekonzept namens Geolution bekannt. Dieses kommt auch am Saturn 14 Swift in der Trail-Version zum Einsatz, heißt: Viel Reach, flacher Lenkwinkel, eher wenig Stack. Letzteres fällt hier jedoch nicht ganz so extrem aus wie noch bei den älteren Varianten des Eboxx E-MTBs. Wirklich positiv ist das enorme Größenspektrum zwischen S und XXL, womit das Bike für Rider zwischen 164 und 202 cm passen sein soll.
S | M | L | XL | XXL | |
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Sitzrohr (in mm) | 400 | 440 | 455 | 475 | 505 |
Reach (in mm) | 447 | 480 | 500 | 517 | 538 |
Stack (in mm) | 611 | 620 | 629 | 638 | 656 |
Lenkwinkel (in °) | 64,8 | 64,8 | 64,8 | 64,8 | 64,8 |
Sitzwinkel eff. (in °) | 76,5 | 76,5 | 76,5 | 76,5 | 76,5 |
Tretlagerabsenkung (in mm) | 30 | 30 | 30 | 30 | 30 |
Kettenstreben (in mm) | 452 | 452 | 452 | 452 | 452 |
Radstand (in mm) | 1221 | 1258 | 1283 | 1304 | 1333 |
Oberrohr horiz. (in mm) | 594 | 629 | 650 | 670 | 695 |
Steuerrohr (in mm) | 110 | 120 | 130 | 140 | 150 |
Zum Test haben wir das Bike von Nicolai mit einer Ausstattung bekommen, die irgendwo zwischen den beiden Top-Varianten HRZ und TNS liegt. Das war keine „Extra-Wurst“ für uns, auch Endkunden haben bei Nicolai durchaus die Möglichkeit, hier und da Anpassungen bei den Ausstattungen vorzunehmen – dafür sollte man am Besten einfach mit den Jungs in Kontakt treten. Wer komplett selbst bauen möchte und vielleicht noch einige Komponenten zuhause hat, kann das Saturn 14 Swift als eines der ganz wenigen E-MTBs auf dem Markt sogar auch als „nacktes“ Rahmenkit mit Motor, Akku und Elektronik bekommen. Dafür werden dann 6.299 Euro (ohne Dämpfer) fällig.
Mit der ausgesprochen robusten Ausstattung und in Rahmengröße L bringt das Rad stattliche 21,2 kg auf die Waage. Damit ist es doch ein gutes Stück schwerer als viele andere E-MTBs mit Bosch SX und in einem vergleichbaren Federwegsbereich. Die allermeisten davon kommen jedoch mit einem Rahmen aus Carbon und viele noch dazu mit einem fest verbauten Akku – auch in puncto Anbauteile liegt das Nicolai eher auf der schweren und robusten Seite. Dennoch: Wer auf der Suche nach einem besonders leichten E-MTB mit Bosch SX ist, liegt beim Nicolai Saturn 14 Swift wohl falsch.
Spannend ist die große Federwegsdifferenz zwischen dem Hinterbau mit 130 mm und der Front mit satten 160 mm. Auch das ist von der jeweiligen Ausstattung abhängig – so kommt beispielsweise das Saturn 14 Swift HLS mit „nur“ 140 mm an der Front. Doch kleiner Spoiler zum Fahrbericht an dieser Stelle: Die 160 mm an der Front stehen dem Bike überraschend gut zu Gesicht.
Bezüglich der verbauten Komponenten hat man bei Nicolai quasi durchgehend ins höchste Regal gegriffen und zudem an keiner Stelle die Performance einem geringeren Gewicht geopfert. In der Front steckt eine Fox 36 Factory mit Fit4-Kartusche. Hier wäre entweder die Grip2 Variante oder die neue GripX etwas passender, wer jedoch weniger Zeit in sein Setup stecken möchte, könnte sich auch über die etwas einfachere Fit4 Dämpfung freuen. Passend dazu stellt der Fox Float X in der Factory-Variante im Heck die 130 mm Federweg zu Verfügung. Die Gänge wechselt eine kabellose, elektronische Sram X0 Eagle Transmission, die mit eigenem Akku daherkommt und nicht direkt vom internen Bosch-Akku versorgt wird. So bleibt sie kabellos, man muss jedoch eben den AXS Akku noch etwas im Auge behalten.
Rahmen | Nicolai Saturn 14 Swift |
Federgabel | Fox 36 Factory Fit4 |
Antrieb | Bosch SX |
Akku | Bosch Compact Tube 400 |
Dämpfer | Fox Float X Factory |
Laufräder | DT Swiss H1700 |
Reifen VR | Continental Kryptotal Enduro FR Soft |
Reifen HR | Continental Kryptotal Enduro RE Soft |
Schaltwerk | Sram X0 Eagle Transmission |
Schalthebel | Sram AXS Pod |
Kurbel | Sram X0 Transmission |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Hope Tech4 E4 |
Bremsscheiben | Hope Floating 203 / 203 mm |
Sattelstütze | Fox Transfer Factory 200 mm |
Sattel | SQlab 6ox Clip-on |
Vorbau | Newmen Evolution SL |
Lenker | Newmen Evolution SL |
Ein klein wenig exotisch wird es bei den Bremsen: Kein Shimano, Sram, Magura oder TRP, sondern die kultige Hope Tech4 E4 sorgt für die nötige Bremskraft, kombiniert mit schwimmend gelagerten, 203 mm großen Scheiben. Passend zu dieser insgesamt doch klar abfahrtslastigen Ausrichtung kommen Laufräder und Reifen daher: Auf den tausendfach bewährten DT Swiss H1700 sind Continental Kryptotal Pneus in der Enduro-Variante montiert. Mit über 1.000 g pro Reifen spielen diese in einer Gewichts- und Pannenschutzklasse mit DoubleDown von Maxxis oder SuperGravity von Schwalbe.
Das Nicolai Saturn 14 Swift in der Praxis
Um das Nicolai Saturn 14 Swift in unterschiedlichem Gelände zu testen, haben wir mit dem Bike sowohl heimische Trails in Süddeutschland unter die Reifen genommen als auch anspruchsvolles, felsiges und verblocktes Gelände rund um den Gardasee. Doch ganz unabhängig vom Trail-Einsatz fällt beim Aufsitzen direkt die markante und Nicolai-typische Geometrie auf: Ein langer Hauptrahmen in Verbindung mit der eher tiefen Front brauchen ein paar Meter Eingewöhnung und dürften auch dann nicht jedermanns Geschmack sein. Nachdem wir jedoch ein paar Spacer unter den Vorbau gepackt hatten fühlte sich das Bike auch im gemütlichen „Touren-Einsatz“ absolut rund an.
So richtig geht das Geometrie-Konzept jedoch erst auf dem Trail auf: Durch die etwas frontlastige Position hat man viel Druck auf dem Vorderrad, dank des flachen Lenkwinkels kommen jedoch keine Überschlagsgefühle auf. Im Gegenteil: Die Balance auf dem Rad ist hervorragend, zumindest dann, wenn man eine eher aggressive Position bevorzugt und eben auch nicht davor zurückschreckt, auch im steilen Gelände oder in Kurven mit Druck über die Front zu fahren. Ohnehin blüht das Saturn 14 Swift dort auf, wo das Gelände eigentlich nicht unbedingt für ein Bike mit 130 mm Federweg am Heck gemacht ist. An dieser Stelle kommt dann auch die Gabel ins Spiel: Durch die Position auf dem Bike kann man einerseits die 160 mm an der Front sehr gut ausnutzen, ohne allzu schnell am Heck an die Grenzen zu kommen. Dennoch: Mit 10 oder 20 mm mehr Reserven wäre das Saturn 14 Swift wahrscheinlich das konzeptionell „rundere“ Bike geworden. Denn obwohl sich das Heck wacker schlägt und man hin und wieder erstaunt ist, wie viel hier rauszuholen ist, kommt man irgendwann dann eben doch an die Grenzen.
Das ist ein wenig schade, denn das Bike könnte eigentlich mehr: Sobald man die Finger mal eine Weile von den zugleich kräftigen und gut dosierbaren Bremsen lässt, zeigt sich, wie viel Enduro in diesem Trailbike steckt. Auf flacheren Trails und im gemäßigten Gelände ist das Rad dann zwar auch spaßig, aber nicht zu verspielt und leichtfüßig wie andere Light E-MTBs in diesem Bereich und braucht gerade in Kurven etwas mehr Überzeugungskraft. Zu diesem Fahrverhalten passt dann eben auch die Ausstattung, bei der sich neben den Bremsen vor allem auch die griffigen und angenehm gedämpften Conti-Reifen hervortun. Eine sehr gute Figur macht natürlich auch die Sram Transmission Schaltung, deren zuverlässige Gangwechsel auch unter Last absolut problemlos funktionieren. Auch deshalb macht das Nicolai Saturn 14 Swift bergauf eine gute Figur – seinen Anteil daran hat natürlich auch der Bosch SX Motor, der mit tollem Ansprechverhalten und viel Power bei entsprechender Eigenleistung auch im technischen Uphill nicht zu verachten ist. Zudem haben wir den Motor noch nie so leise erlebt, wie im Nicolai: Das mag natürlich auch an dem massigen Tretlagerbereich liegen, der die Geräusche des Motors besser dämpft als ein leichter Carbonrahmen.